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Verstößt der Schweiz-Deal gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung? Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Foto: APA/rumpenhorst

Das Steuerabkommen der Republik Österreich mit der Schweiz soll eine Milliarde Euro in die Kassen des Fiskus spülen. Diese Maßnahme gegen Steuerhinterziehung stößt allerdings auf viel Kritik. Verfassungsjurist Heinz Mayer nennt die Vereinbarung in einem Interview mit dem "Falter" sogar verfassungswidrig.

Mayer sieht darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung, weil damit nicht rechtstreue Bürger besser als rechtstreue gestellt werden. Das sei nur gerechtfertigt, wenn es sich um eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung handle. "Die sehe ich aber nicht", sagt Mayer in dem Interview.

Alternative wäre gar kein Geld

Anders sieht das der Verfassungsexperte Theo Öhlinger. "Das ist eine kurzschlüssige Argumentation, da es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag mit der Schweiz handelt und nicht um ein einfaches Gesetz", sagt Öhlinger im Gespräch mit derStandard.at. Die Frage sei daher, welche Begründung man gegen den Vertragspartner Schweiz einbringen könne, da ein völkerrechtlicher Vertrag nicht einseitig erlassen werden kann. Der Gleichheitsgrundsatz verbiete nur "unsachliche Differenzierung". Der Rechtfertigungsgrund für das Abkommen sei aber, dass man ohne Mithilfe des anderen Staates die Betroffenen überhaupt nicht aufgreifen könne.

Es stimme schon, dass die Steuerflüchtlinge in gewisser Weise begünstigt würden, die Alternative wäre aber, dass sie gar nichts zahlen. Wenn das Abkommen nicht wäre, würden die Steuerhinterzieher noch viel mehr prämiert, sagt Öhlinger. "Eine schönere Alternative wäre, die Schweizer Banken melden freiwillig die österreichischen Steuerflüchtlinge, das wird aber so nicht geschehen", sagt er. Eine gleichwertige Regelung zu schaffen sei daher nicht möglich. "Ich verstehe nicht, wie Mayer auf die Idee kommt, dass jeder gegen das Abkommen klagen kann. Das kann nur jemand, der vom Abkommen begünstigt ist, und das wird dieser in der Regel nicht tun", sagt Öhlinger. Ob aus dem Abkommen mehr herauszuholen gewesen wäre, will Öhlinger nicht einschätzen: "Es ist überraschend, dass es überhaupt in diesem Jahr zustande gekommen ist."

EU-Kommission prüft

Die EU-Kommission will laut APA inzwischen prüfen, ob die Vereinbarung mit EU-Recht übereinstimmt, bevor sie dazu Stellung nimmt. Noch sei es dafür "zu früh". Die Steuerabkommen der Schweiz mit Großbritannien und Deutschland seien auf konsensualem Weg nachgebessert worden. "Deshalb hat es keine Notwendigkeit für ein Vertragsverletzungsverfahren gegeben. London und Berlin haben ihre Änderungen in Einklang mit EU-Anforderungen gemacht und sind den intensiven Debatten mit der Kommission auf politischer und technischer Ebene gefolgt", sagt eine Sprecherin. Vertragsverletzungsverfahren seien außerdem der letzte Ausweg, den die Kommission nur dann ergreife, wenn andere Lösungsansätze keinen Erfolg gezeigt haben.

Auch die Initiatoren des Volksbegehrens "Steuergerechtigkeit jetzt!" überprüfen die Möglichkeit einer Verfassungsklage. Das Abkommen, das "nur dem Schutz von kriminellen SteuerhinterzieherInnen dient", sollte von ehrlichen Steuerzahlern zu Fall gebracht werden, hieß es. (ctrl, derStandard.at, 18.4.2012)