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Südlich der Sahara sollen sieben von zehn Kindern nach der Geburt nicht registriert werden.

Foto: EPA/BORIS ROESSLER

Rom - Jedes Jahr werden 51 Millionen Kinder weltweit, also ungefähr ein Drittel aller Neugeborenen, nicht von Meldebehörden erfasst. In Afrika südlich der Sahara sollen laut Schätzungen von Hilfsorganisationen sogar sieben von zehn Kindern nach der Geburt nicht registriert werden. Auf die dramatischen Folgen dieser Entwicklung wies die christliche Gemeinschaft Sant Egidio vor Vertretern der österreichischen Bischofskonferenz und Journalisten in Rom hin. "Aus rechtlicher Sicht existieren diese Kinder nicht", erklärte Evelina Martelli, die ein Geburtenregistrierungsprojekt der Helfergruppe betreut.

Dabei wird von der Organisation, deren Gründer Andrea Riccardi in der Expertenregierung Monti das Amt des italienischen Integrations- und Entwicklungshilfeministers übernommen hat, die Registrierung von Neugeborenen gefördert und der Aufbau von Einwohnermeldebehörden sowie der notwendigen Infrastruktur unterstützt. Laut Martelli seien nicht registrierte Minderjährige in vielen Fällen die ersten Opfer von Menschenhandel, Sklaverei, Ausbeutung und Missbrauch. Mit dem Projekt BRAVO (Birth Registration for All Versus Oblivion) leiste man einen Beitrag, eine wichtige Ursache für diese Missstände zu beseitigen.

Kampagne in Burkina Faso

In Burkina Faso, wo 35 Prozent der Bevölkerung melderechtlich nicht erfasst waren, hat die 1968 gegründete Gemeinschaft etwa mit einer nationalen Kampagne dazu beigetragen, dass drei Millionen Personen eine Geburtsurkunde erhalten haben. Über 90 Prozent der Bevölkerung des afrikanischen Staates sind inzwischen gemeldet.

"Wir glauben, dass wir die Welt ändern können", sagte Sant Egidio-Generalsekretär Cesare Zucconi zu den Aktivitäten der Gruppe. Ein funktionierendes Meldewesen sei auch eine Frage der Demokratie. "Was sind Wahlen wert, wenn ein Drittel der Bevölkerung nicht registriert ist", so Zucconi.

Neben der Registrierung von Neugeborenen setzt sich die Organisation, die für ihr zivilgesellschaftliches Engagement mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden ist, auch für die Abschaffung der Todesstrafe in afrikanischen Ländern sowie für afrikanische Häftlinge ein. "Die Lage in afrikanischen Gefängnissen ist ein Drama. Hühnerdiebe werden auf Jahre eingesperrt und dann vergessen", berichtete Zucconi.

Chance durch Arabischen Frühling

Den Arabischen Frühling sieht man bei der Organisation überwiegend als Chance. "Wir haben Vertrauen, dass sich die Dinge positiv entwickeln, auch wenn es die Herausforderung des islamischen Radikalismus gibt." Eine demokratische Entwicklung helfe letztlich aber auch den christlichen Minderheiten in der arabischen Welt. Zucconi hofft dabei auf die moderaten Kräfte. "Wir brauchen Gefährten in der islamischen Welt. Pluralismus und Präsenz von Christen ist schließlich auch eine Garantie für moderate Muslime."

Dass Sant Egidio-Gründer Riccardi das Amt des italienischen Integrationsministers angenommen habe, nannte Zucconi ein Opfer, aber auch ein Gebot der Stunde. "Es gibt genug Propheten des Unglücks, es gibt aber keine Alternative zum Zusammenleben der Kulturen." (APA, 18.4.2012)