Rohstoffexperte Weinberg: "In Euro gerechnet ist der Ölpreis bereits nahe dem Allzeithoch."

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Wann kann man wieder mit einem Lächeln tanken, so wie im Oktober 2008?

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Neben der Irankrise ist der schwache Euro hauptverantwortlich dafür, dass die Öl- und Spritpreise in Richtung Allzeithoch wandern. Rechnen die Anleger schuldenkrisenbedingt aber mit fallender Nachfrage und gewinnt der Dollar weiter an Wert, dann könnte es anders kommen, erklärt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank in Frankfurt, im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Herr Weinberg, Sie haben in den letzten Jahren die Aufs und Abs des Ölpreises recht zuverlässig vorausgesehen. Wie prognostiziert, hat sich der Ölpreis in den letzten Monaten über 110 Dollar gehalten. Wird das so bleiben?

Weinberg: Ja, das gilt für das in Europa maßgebliche Brent fast uneingeschränkt. Wir gehen davon aus, dass die dem zugrunde liegenden Faktoren - vielleicht mit Ausnahme der geopolitischen Risiken - auch in den kommenden Monaten erhalten bleiben. Da ist zum einen die relativ robuste Nachfrage aus Asien, aber auch das eingeschränkte Angebot und die weiterhin sehr gute Liquiditätsversorgung des Marktes. Auch mit Abwesenheit der Spannungen mit dem Iran und Co. dürfte der Preis länger über 110 Dollar bleiben, als man zuvor gedacht hat.

derStandard.at: Bei den hohen Ölpreisen wird ja immer die Irankrise als Grund ins Spiel gebracht. Wie viel macht die Krise tatsächlich aus?

Weinberg: Der hohe Ölpreis hat, wie gesagt, verschiedenste Gründe. Die Tatsache, dass zwischen den beiden wichtigsten Ölsorten, dem europäischen Brent und dem amerikanischen WTI (West Texas Intermediate, Anm.), momentan eine Preisdifferenz von über 15 Dollar besteht, deutet schon darauf hin, dass die Gründe für diesen Anstieg teilweise geopolitisch bedingt sind. Die Krise kann jederzeit eskalieren. Momentan gibt es aber eine leichte Entspannung, weil die Einfuhr von Öl aus dem Iran in die EU nicht, wie geplant, schon im Juli verboten wird.

derStandard.at: Es fällt auf, dass das amerikanische WTI in seiner Preisentwicklung viel mehr schwankt als Brent. Warum ist das so?

Weinberg: Diese Ölsorte hat gewisse Besonderheiten. WTI - und die USA gehören mittlerweile wieder zu den größten Ölförderländern der Welt - wird zum größten Teil auch im Land verbraucht. Daher hängt der Preis stark von der US-amerikanischen Binnennachfrage ab. Die ist momentan relativ schwach, die Öllagerbestände steigen. Das belastet die Preise.

derStandard.at: Warum steigt der Preis für Benzin und Diesel dieser Tage so stark?

Weinberg: Zum einen ist das im hohen Ölpreis selbst begründet. Zum anderen ist es die Tatsache, dass der Euro gegenüber dem Dollar - und Öl wird in Dollar gehandelt - sehr schwach ist. In Euro gerechnet ist der Ölpreis bereits nahe dem Allzeithoch. Das ist weiterhin der wichtigste Grund. Bei Benzin verzeichnen wir zudem ein starkes Anlegerinteresse. Während der Preis für Benzin in den letzten Monaten des Jahres 2011 eher underperformt hat, hat er sich im ersten Quartal dieses Jahres unter allen gängigen Rohstoffen am besten entwickelt.

derStandard.at: Diesel wird in Europa immer wichtiger. Das EU-Parlament plant nun, Treibstoffe nach ihrem Energiegehalt zu besteuern und die Steuer auf Diesel damit um 16 Cent in Österreich und sogar 22 Cent in Deutschland zu erhöhen. Glauben Sie, das kommt?

Weinberg: Das würde sicherlich der Diesel-Nachfrage in Europa nichts Gutes tun. Man muss nur in die USA schauen, wo Diesel bei gleicher Besteuerung deutlich teurer ist als Benzin. Da mangelt es an Dieselfahrzeugen, die Technologie kommt in den USA nicht in die Gänge. Man kann es nicht ausschließen, aber diese Neuregelung würde sicherlich vor allem für die Industrie eine Belastung darstellen. Denn der größte Teil der Binnentransporte in der EU läuft weiterhin auf der Straße, nicht auf der Schiene. Im Moment, glaube ich, ist das aber noch in weiter Ferne.

derStandard.at: Gibt es in absehbarer Zeit wieder Spielraum für Ölpreisrückgänge?

Weinberg: Das sehen wir schon. Vor allem, wenn die aktuelle Schuldenkrise in Europa immer mehr in den Blick der Anleger rückt. Wenn bewusst wird, welche wirtschaftlichen und politischen Risiken die Krise birgt, dann könnten zum einen die Marktteilnehmer mit fallender Nachfrage rechnen, zum anderen wird der Dollar an Wert gewinnen. Ein steigender Dollar geht oft mit einem fallenden Ölpreis einher.

derStandard.at: Anderes Thema, die Krisenwährung Gold. Europas größte Goldmine liegt in Siebenbürgen in Rumänien. 314 Tonnen Gold sollen hier noch liegen und 1.480 Tonnen Silber. Der geschätzte Wert: 14 Milliarden Euro. Die Regierung will mit Hilfe des kanadischen Rohstoffkonzerns Gabriel Resources den Abbau wieder aufnehmen. Macht das Sinn?

Weinberg: Sie meinen Roşia Montană (Roter Berg, Anm.), ja. Sehen Sie, Gold hat als Währung seinen eigenen Preis. Die Wiederaufnahme der Förderung ist für den Weltmarkt daher völlig ohne Belang. Für die Europäer aber ist es ein strategisches Investment. Wenn es umweltverträglich verläuft, ist das zu begrüßen. Wenn man sich aber den Aktienkurs von Gabriel Resources ansieht, und der hat sich allein im April um beinahe die Hälfte halbiert, dann soll man sich schon fragen, ob das wirklich in Kürze passiert. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 17.4.2012)