Dieses Pferdeskelett stammt aus der Zeit von Napoleon, also wohl aus dem Jahr 1809. In den kommenden fünf Monaten wird in Aspern fleißig nach anderen historischen Relikten gegraben.

Foto: Stadtarchäologie

Wien - Skelettteile eines Soldaten aus Napoleons Zeit, Kanonenkugeln sowie Gegenstände aus der Spätbronzezeit: Während sich die ersten Bagger in den Boden des zukünftigen Mega-Stadtteils "Seestadt Aspern" graben, jubeln Archäologen über zahlreiche historische Funde.

Fünf Monate hat das Team von Karin Fischer Ausserer, Leiterin der Stadtarchäologie Wien, Zeit für die Ausgrabungen. Bis jetzt liefen die Vorbereitungen, um kalkulieren zu können, welche Schätze unter dem Erdreich in Aspern vergraben sind. Dafür wurde die Grasnarbe abgezogen und Proben aus den darunterliegenden Schichten gezogen. Die Vermutung der Archäologen hat sich bestätigt: "Die Funde reichen von der Ur- und Frühzeit bis hin zum Zweiten Weltkrieg", erzählt Fischer Ausserer. Zusammen mit Historikern wird erarbeitet, was sich alles in den Aspern-Gründen zugetragen hat. Pfostenlöcher und Vertiefungen geben Hinweise auf Grubenhäuser, die noch aus der Jungsteinzeit stammen könnten.

Reste von Siedlungsstrukturen, Werkzeuge und Keramik werden ebenso vermutet wie Gegenstände aus dem Mittelalter. Allerdings haben Hobbysammler mit Metalldetektoren schon vor Jahren kleinere Teile wie Münzen und Knöpfe von alten Uniformen gefunden und mitgenommen. Dass die Ausgrabungen in der Hand von einer Institution liegen, sei wichtig, meint Fischer Ausserer: "So können alle Einzelteile wie Puzzlesteine zusammengefügt werden."

Nicht seltene Zersplitterung eines Areals "nicht optimal"

Als "nicht optimal" bezeichnet Wolfgang Neubauer, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Archäologische Prospektion, die nicht selten in der Praxis gelebte Zersplitterung eines solchen Areals. Es sei bedenklich, dass Bauträger nicht verpflichtet sind, überhaupt Untersuchungen durchzuführen. Es komme immer wieder vor, dass Firmen diesen gesetzlichen Freiraum nützen. Stößt die Baggerschaufel dann auf etwas archäologisch Wertvolles, wird das betreffende Objekt oft in "wissenschaftlich fragwürdigen" Aktionen geborgen, um eine längere Unterbrechung der Baustellentätigkeit zu vermeiden.

Reformbedarf hätte das, laut Neugebauer, "viel zu schwache Denkmalschutzgesetz" auch in technischen Belangen. Kaum werde bei Grabungen der neueste Stand der Technik vorgeschrieben - zum Beispiel der Einsatz von Methoden, die zerstörungsfrei archäologische Fundstellen im Boden erkunden. In vielen europäischen Ländern sei diese Vorschrift bereits Standard.

Technische Fortschritte

Die technischen Möglichkeiten der Branche entwickelten sich dermaßen rasant, dass es für Firmen unmöglich sei, ihre Ausrüstung alle paar Wochen zu erneuern, meint hingegen Christoph Blesl vom Bundesdenkmalamt. Sehr wohl eingefordert werden jedoch die von der Fachwelt empfohlenen technischen Standards. Bei der Aufteilung in Tranchen stünden die Forschungsergebnisse der einzelnen Firmen den anderen zur Verfügung. Man arbeite in solchen Fällen also nicht isoliert voneinander, sondern wisse über das Nachbargrundstück sehr wohl Bescheid.

Als ebenfalls unrealistisch bezeichnet Blesl mögliche "Husch-Pfusch"-Aktionen: Wenn die Baggerschaufel auf wertvollen Boden stößt, dann müsse der Fund ordnungsgemäß geborgen werden. Genau das sei letztendlich auch der Grund, warum sich die meisten Bauträger für eine Untersuchung vor Baubeginn entscheiden, so Blesl. (Julia Herrnböck, Carola Timmel, DER STANDARD, 17.4.2012)