Wien - Marie-Jo liebt Daniel. Daniel ist ihr Mann seit vielen Jahren. Er ist der Vater ihrer Tochter, der Mann, mit dem sie lebt und den Alltag teilt. Marie-Jo liebt Marco. Marco ist ihr Geliebter. Seit Monaten besucht sie ihn heimlich in seiner Wohnung, um für Stunden ganz bei ihm zu sein.
Das Glück ist dabei jeweils endlich. Einen Mann zu lieben kann glücklich machen, sagt Marie-Jo, zwei Männer zu lieben macht leer. Doch auch ihr Versuch, sich für einen von den beiden zu entscheiden, scheitert.
Marie-Jo et ses deux amours (Marie-Jo und ihre zwei Lieben) von Robert Guédiguian erzählt also von der Unteilbarkeit und Unfassbarkeit eines Gefühls, dessen Plural, zumal im Deutschen, ohnehin schon paradox erscheint. Eine Amour-fou-Geschichte, die allerdings weitgehend ohne forcierte Dramatik auskommt. Vielmehr gibt der Regisseur dieser (alten) Erzählung Facetten, Details und Körper zurück, die andere aussparen - ein Umstand, den einem der Film erst bewusst macht.
Unter anderem ergibt sich das aus der genauen Beschreibung eines Alltags, zu dem Freunde und Bekannte, Wochenendausflüge und Arbeit gehören: Marie-Jo erledigt für das kleine Bauunternehmen von Daniel die Buchhaltung, zusätzlich arbeitet sie für einen Krankenfahrtendienst. Marco ist Lotse im Hafen von Marseille. Die Stadt, das Meer und das (sommerliche) Klima bilden einen weiteren konkreten Rückhalt für die Figuren und ihre komplizierte Beziehung, die ihren Alltag zunehmend erschüttert. Diese Erschütterung wird ihrerseits von einem anderen Bezugssystem aufgenommen: Gefühle, größer als das Leben, hallen in der Musik und in Liedern wider, die die allmähliche Wendung zum Drama (und zum Pathos) begleiten.
Guédiguian erzeugt aber auch eine Atmosphäre der Intimität, die nichts Voyeuristisches hat: Der liebende Blick der Figuren aufeinander, ihr wortloses einander Betrachten - nackt, ruhend in der Hitze - wird von der Kamera vielmehr so selbstverständlich geteilt, dass man sich zu fragen beginnt, was andere Filme eigentlich an die Stelle solcher (Zwischen-)Bilder setzen. Deren Gelingen hier auch einem spezifischen Arbeitszusammenhang geschuldet ist:
Filmfamilienbetrieb
Vor der Kamera agieren Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin und Gérard Meylan, Guédiguians Darsteller seit mehr als zwanzig Jahren und elf Filmen. Auch Marseille spielt in allen seinen Arbeiten mit, die es hierzulande leider kaum in den regulären Spielbetrieb schaffen, dafür aber regelmäßig auf Festivals - oder zuletzt bei einer Retrospektive des Österreichischen Filmmuseums - auftauchen.