Laura Rudas will sich die Politik nicht schlechtmachen lassen, auch dann nicht, wenn einmal alles schiefläuft. Auch über die herbe Kritik der Poster im Internet blickt die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin angeblich gelassen hinweg. "Selbst wenn es ganz schlecht läuft und alle gegen mich schreiben - ich liebe Politik."

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STANDARD: Man hat den Eindruck, dass sich SPÖ und ÖVP wieder besser verstehen, seit sie im Untersuchungsausschuss wieder einen gemeinsamen Feind haben, die Opposition. Stimmt dieser Eindruck?

Rudas: Die Koalitionsparteien verstehen sich sowieso ganz gut, das hat mit dem Ausschuss nichts zu tun. Was ich bei diesem Themenkomplex aber so schade finde, ist der Umstand, dass alles vermischt wird. Man muss aufzeigen, dass es um die Aufarbeitung einer zeitlichen Epoche geht, um Schwarz-Blau. Das kommt zu kurz. Ich bin nicht ÖVP-Pressesprecherin, aber ich finde auch, dass die ÖVP im Vergleich zur FPÖ viel zu hart dran kommt. Die Machenschaften der FPÖ waren wirklich grausig. Dass die sich jetzt so abputzen können, versteh ich nicht.

STANDARD: Sie verteidigen jetzt tatsächlich die ÖVP?

Rudas: Ja, schon. Heinz-Christian Strache war damals im Parteivorstand der FPÖ und war bis 2004 sogar gemeinsamer Gesellschafter zweier Firmen mit Gernot Rumpold. In der Aufarbeitung kommt die FPÖ eindeutig zu kurz. Die FPÖ hat systematisch politische Entscheidungen getroffen, um sich zu bereichern. Da wurden Privatisierungen beschlossen, die nur den Sinn hatten, dass sich einzelne bereichern konnten.

STANDARD: Derzeit wird im Ausschuss über die Zeugenliste gestritten. Warum macht die SPÖ der ÖVP die Mauer und lässt unangenehme Ladungen nicht zu?

Rudas: Ich bin im Ausschuss nur Ersatzmitglied und mag das nicht von außen kommentieren. Ich sage aber ehrlich: Ich wäre offener, was die Ladungspolitik betrifft, und weiß auch, dass unsere Mitglieder offener sind. Prinzipiell ist es aber sinnvoll, dass man sich auf das Wesentliche fokussiert und das nicht ins Unendliche schweifen lässt. Bitte aber auch um Verständnis, dass wir in einer Koalition sind.

STANDARD: Verteidigungsminister Norbert Darabos ist der Meinung, dass man den Ausschuss schon im Sommer beenden sollte - und Sie?

Rudas: Das war ein Halbsatz in einem Interview. Es geht nicht darum, den Ausschuss abzudrehen, es geht darum, dass man auf das Wesentliche fokussieren sollte. Ich werde hier keine zeitliche Deadline geben. Es gibt korrupte Politiker, davor ist keine Partei gefeit und das kann es in jedem beruflichen Bereich geben. Das spezielle Problem in Österreich ist aber die Intransparenz des politischen Systems. Wer sich dagegen sträubt, das zu ändern, ist wirklich von gestern.

STANDARD: Der Fall Ernst Strasser ist jetzt mehr als ein Jahr her, da wurde viel diskutiert, tatsächlich hat diese Woche das erste Mal die koalitionäre Arbeitsgruppe getagt, die für mehr Transparenz sorgen soll. Ist das nicht etwas spät?

Rudas: Ja, das stimmt.

STANDARD: Sie räumen aber schon ein, dass man sich zu viel Zeit gelassen hat?

Rudas: Ja, das ist leider so.

STANDARD: Werden auch Vorfeldorganisationen alles offenlegen müssen?

Rudas: Es müssen alle transparent sein. In welcher Form, wird gerade erarbeitet.

STANDARD: Ist der Echo Verlag, der auf Umwegen der SPÖ Wien gehört, eine Vorfeldorganisation?

Rudas: Nein, ist er natürlich nicht. Das wäre mir in den Statuten aufgefallen. Wem Echo gehört, weiß man ja, der Standard hat mehrfach darüber berichtet. Würde ich eine Spende von Echo bekommen, müsste das offen gelegt werden, darum geht es.

STANDARD: Könnten wir jetzt Einblick in alle Spenden nehmen?

Rudas: Ja, da können wir gleich in die Finanzabteilung rübergehen. Es gibt nichts zu verheimlichen. Aber viele Spenden bekommen wir eh nicht.

STANDARD: ÖVP-Chef Spindelegger hat den Vorschlag ventiliert, die staatliche Parteienförderung abzuschaffen und stattdessen auf ein System der Spenden umzustellen.

Rudas: Ich halte die staatliche Parteienförderung für demokratischer. Da braucht man sich nicht von Firmen abhängig machen, die besonders viel Geld spenden. Eine große Firma, die einer Partei Geld spendet, erwartet sich dafür meisten auch etwas. Ich halte es für hygienischer, unabhängig von Zuwendungen von Unternehmen politisch arbeiten zu können.

STANDARD: In Deutschland überholen die Piraten in Umfragen die Grünen. Ist das eine Strömung, die man ernst nehmen muss?

Rudas: Dass es hier Bewegung gibt, kann eine Demokratie auch beleben. Wir brauchen keine schlotternden Knie bekommen, weil es neue Parteien gibt.

STANDARD: Die könnten der SPÖ aber auch Stimmen wegnehmen.

Rudas: Oder sie könnten Nichtwähler zum Wählen mobilisieren oder einer anderen Partei Stimmen wegnehmen.

STANDARD: Sie sind 31 und wollen nicht als Jungpolitikerin bezeichnet werden. Für die Funktion, die Sie bekleiden, sind Sie aber recht jung, und Sie haben schon eine beachtliche Politikerlaufbahn hinter sich. Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Rudas: Ich gehöre einer Generation an, die ihr Leben nicht von der Politik abhängig machen wird. Es gibt auch etwas anderes. Aber ich muss ehrlich dazu sagen: Ich bin politiksüchtig. Selbst wenn es einmal ganz schlecht läuft und viele gegen mich schreiben - ich liebe Politik. Ich möchte etwas bewegen, und das geht nirgendwo so unmittelbar wie in der Politik. Deswegen wird Politik immer eine Rolle in meinem Leben spielen. Ich weiß, dass Politik im Moment nicht wahnsinnig gut angesehen ist. Ich sage dennoch: Es gibt nichts Spannenderes auf der Welt.

STANDARD: Wie kommt man zu so einer dicken Haut? Wenn Laura Rudas im Standard ein Interview gibt, wird sie in der Regel von den Postern im Internet hingerichtet.

Rudas: Ich muss jetzt manchen Poster enttäuschen: Ich lese vieles nicht. Nicht mehr. Ich finde es ja auch gut, dass wenn ich etwas sage, da nicht nur drei Postings hinten dran sind. Ich finde es schon gut, wenn diskutiert wird, was ich sage. Aber es gibt Leute, die etwas kritisieren, und es gibt Leute, die einfach nur drauflosschimpfen, im Schutze der Anonymität. Das ist eine Plattform, auf der sich die Leute hinter Nicknames verstecken. Die kommunizieren nicht face to face oder per Email mit ihrem Namen. Anonyme Postings sind nicht gerade die mutigste Form der Partizipation. Das ist nur für die Klicks und die Gewinnoptimierung gut. Aber eine seriöse politische Diskussion kann man so nicht führen. Jeder, der mir ein Mail schickt, bekommt eine Antwort, jeder der mit mir eine Diskussion führen möchte, kann das tun.

STANDARD: Wie ist Ihr Verhältnis zum Bundeskanzler? Es gibt Gerüchte, dass es nicht mehr ganz so entspannt wäre.

Rudas: Echt? Ich treffe ihn in einer Stunde, da frag ich ihn. Nein, es ist unverändert gut. (Michael Völker, DER STANDARD, 14./15.4.2012)