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Emanuel Viveiros schickt Österreichs jüngste WM-Auswahl seit acht Jahren in die "Mission Wiederaufstieg".

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Erstmals seit 8.Feber 2009 schlüpft Michael Grabner wieder ins Teamtrikot. Der NHL-Crack der New York Islanders ist Österreichs Schlüsselspieler im Angriff.

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Bernhard Starkbaum geht nach 13 Teameinsätzen erstmals als Nummer eins im Tor in ein WM-Turnier.

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13 Stürmer im WM-Kader spielten in der heurigen Saison in der Erste Bank Eishockey Liga, waren dabei jedoch nur beschränkt torgefährlich, wie die Grafik (Schnitt an Toren pro Spiel) zeigt.

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In den neun Begegnungen des Länderspieljahres 2011/12 hat Nationaltrainer Emanuel Viveiros insgesamt 48 verschiedene Spieler getestet, 25 davon reisen zur Weltmeisterschaft der Division 1A nach Ljubljana. Dort kämpft Österreich ab Sonntag gegen Gastgeber Slowenien, die Ukraine, Ungarn, Großbritannien und Japan um die erneute Rückkehr in die Weltelite.

Umstrukturierung im Verband

Nach dem desolaten Auftreten bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei im vergangenen Jahr und dem daraus resultierenden Abstieg in die zweite Leistungsklasse wurden die Rufe nach Veränderungen im und um das österreichische Nationalteam unüberhörbar. Der Österreichische Eishockeyverband (ÖEHV) nahm diese wahr, seine Führungsriege ging in Klausur und ließ sich auch extern beraten. Während die diesbezüglichen Adaptierungen rund um die Nationalmannschaften - vordergründig die teilweise mutigen Entscheidungen bei den Trainerbesetzungen bis weit in den Nachwuchs hinein sowie eine deutliche Professionalisierung des Betreuerstabs im A-Team - als positiv zu bewerten sind, harrt die Umstrukturierung des Verbandes selbst weiterhin ihrer Umsetzung. Vieles wird hier von der bevorstehenden Bestellung eines Sportdirektors abhängen, dessen primäres Ziel es sein muss, im ÖEHV ein innovationsfreundlicheres Klima zu schaffen.

Alter vor Leistung

Im Zuge dieser Restrukturierung wurde im September der damalige KAC-Coach Emanuel Viveiros in das Amt des Teamchefs gehoben und als solcher mit einem Vertrag über drei Jahre ausgestattet. Seit seiner Ernennung gab der Austro-Kanadier die Verjüngung des Teams als oberste Prämisse aus, ein Ziel, das er auf den ersten Blick auch erreicht hat: Die 25 Spieler für Ljubljana bilden mit einem Durchschnittsalter von 25,6 Jahren die jüngste rot-weiß-rote WM-Mannschaft seit acht Jahren, als die ÖEHV-Auswahl in Prag zum letzten Mal einen wirklich bleibenden Eindruck in der Weltelite hinterlassen hatte.
Bei näherer Betrachtung des Kaders lässt sich jedoch nicht verleugnen, dass die Komponente Jugend gegenüber der Kategorie Leistung überproportional bewertet wurde. Ein Paradoxon: Österreichs Eishockeynationalteam ist zwar so jung wie seit Jahren nicht mehr, seine Zukunftsfähigkeit ist jedoch in Zweifel zu ziehen. Denn die Zukunft soll und wird sich in der A-Gruppe abspielen, auf einem Niveau, welches das Leistungspotential einiger heuer nominierter Spieler deutlich überschreitet. Viveiros hat sein Team in Teilen nach der Geburtsurkunde, nicht jedoch mit dem Blick auf kommende Aufgaben zusammengestellt.

Harmlose Offensive

Im Besonderen trifft das auf den vom heutigen Nationaltrainer einst in seiner Funktion als KAC-Headcoach "erfundenen" Block mit Raphael Herburger und den beiden Geier-Zwillingen zu, der in dieser Konstellation sein WM-Debüt feiern wird. Gleichzeitig wird auf die Dienste von auf A-Gruppen-Level etablierten Kräften wie Marco Pewal oder Markus Peintner, im Vorjahr in der Slowakei die beiden einzigen rot-weiß-roten Cracks mit einer positiven Plus/Minus-Bilanz, verzichtet. Viveiros ging mit recht klaren Vorstellungen in das Länderspieljahr und setzte um fast ein Viertel weniger Spieler ein als zuletzt sein Vorgänger Bill Gilligan.
Durch die Saison zog sich dabei jedoch auch relative Harmlosigkeit in der Offensive: In neun Partien gelangen lediglich 18 Treffer, nur 6,6 Prozent der abgegebenen Schüsse fanden den Weg ins Tor, das Team Austria benötigte 22:38 Überzahlminuten, um einen Powerplay-Treffer zu erzielen. Mit Ausnahme des Trios Gregor Baumgartner, Thomas Raffl und Manuel Latusa fiel in seiner bisherigen EBEL-Karriere keiner der Stürmer durch einen besonders stark ausgeprägten Torinstinkt auf, die 13 Angreifer, die heuer in der heimischen Liga aktiv waren, erzielten im Schnitt nur 0,19 Tore pro Einsatz. Die Hoffnungen ruhen auf dem Speed und den Goalgetter-Qualitäten von NHL-Export Michael Grabner.

Problemzone Zentrum

Die mangelnde Effizienz im Angriff hat auch mit der neuen Achillesferse des Teams zu tun. Galt in den letzten Jahren die Verteidigung als vordergründige Problemzone, schwächelt das neue Nationalteam heuer vor allem auf der Center-Position. Erstlinien-Mittelstürmer Thomas Koch, der im Trikot mit dem Adler auf der Brust seit knapp zwei Jahren oder zwölf Spielen nicht mehr getroffen hat, durchlebte beim KAC keine einfache Saison. Dahinter setzt Emanuel Viveiros auf Center, deren spielgestalterische Fähigkeiten zwar auf Division 1-Level ausreichen werden, für die eine mögliche A-WM 2013 aber eine Nummer zu groß ist.
Auffällig ist hierbei speziell das Fehlen klassischer Rollenspieler für die Sturmblöcke drei und vier: Zweiwege-Center mit Stärken am Faceoff-Punkt, adäquater Physis und Eignung für das Unterzahlspiel wie der aus dem Team zurückgetretene Philipp Lukas (im Vorjahr einziger Mittelstürmer, der mehr Scheibenaufwürfe gewonnen als verloren hat) oder Wiens Philipp Pinter sucht man im Roster vergeblich.

Starkbaum als Nummer eins

Österreichs Abwehr präsentierte sich im Länderspieljahr 2011/12 weitestgehend stabil. Im Schatten der Routiniers Gerhard Unterluggauer und Matthias Trattnig (bei der A-WM im Vorjahr mit fast 22 Minuten Eiszeit pro Partie als Dreh- und Angelpunkt) etablierte sich Stefan Ulmer als solide Ergänzung. Der 21jährige war in allen Partien der Saison mit dabei und ist mit fünf Punkten auch aktueller Topscorer der Mannschaft. Schafft man die Rückkehr in die Weltelite, benötigt die Nationalteam-Abwehr einen stabilisierenden und auch offensive Impulse setzenden Thomas Pöck jedoch wie einen Bissen Brot.
Im Tor geht Bernhard Starkbaum in seine erste Weltmeisterschaft als Nummer eins, der 26jährige VSV-Goalie (Nationalteam-Karriere: 13 Einsätze, 2,01 Gegentore pro Spiel, 93,6 Prozent abgewehrte Schüsse) wird nach einer sehr starken Saison einen sicheren Rückhalt abgeben. Fragwürdig im Bereich der Torhüter jedoch das Ignorieren von im Ausland tätigen Akteuren durch die Teamführung. Während Jürgen Penker mit seinem Klub noch in der Meisterschaft aktiv und eine Nicht-Berücksichtigung daher logisch ist, wurde Österreichs einziger KHL-Legionär, Bernd Brückler, von Viveiros nicht einmal kontaktiert. Auch Mathias Lange könnte es mit den gegenwärtigen Backups Weinhandl und Swette mehr als nur aufnehmen.

Aufstieg durchaus realistisch

Ungeachtet diverser Problemzonen kann das Team Austria mit großem Optimismus in das WM-Turnier in Ljubljana gehen. Mit Ausnahme des Gastgebers Slowenien ist keine Mannschaft über die österreichische zu stellen, der vierte Wiederaufstieg in Serie also durchaus realistisch. Hinsichtlich einer möglichen Zukunft unter den Top 16 der Welt muss jedoch noch an einigen Schrauben gedreht werden, Teamchef Viveiros wird gut beraten sein, sich diesbezüglich die fundierten Meinungen seiner Assistenten Christian Weber und Rob Daum einzuholen. Doch das ist Zukunftsmusik, zunächst geht es darum, in Sloweniens Hauptstadt die nötigen vier bis fünf Siege einzufahren, die den Weg zur A-WM 2013 in Schweden ebnen. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 13.April 2012)