Barbara Steiner: Menschenhandel "ist eines der gewinnbringendsten Geschäfte der Welt".

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Standard: Wie viele angezeigte Fälle von Menschenhandel werden verurteilt?

Barbara Steiner: In einer Studie haben wir einen Ausschnitt gemacht: Von 76 Fällen gab es 36 Verurteilungen. Eine Handvoll wurde entschädigt.

Standard: Wie schwierig ist es, jemanden zu einer Zeugenaussage zu bringen?

Steiner: Alle haben Angst, dass ihren Familien oder Kindern etwas passiert. Meist wissen die Täter, wo die Frauen wohnen, haben Kontakte in der Nachbarschaft. Die Angst ist also real. Die Entschädigungen sind ein weiteres Thema. Sie haben null Benefit von einer Anzeige. Ich hatte den Fall einer Frau, die vier Jahre ausgebeutet wurde und 170.000 Euro gebracht hat. Am Ende bekam sie 10.000 Euro zugesprochen. Das steht in keiner Relation.

Standard: Menschenhandel ist auch ein Thema von Hausangestellten in Botschaftshäusern.

Steiner: Die können in den meisten Fällen nicht verfolgt werden, weil sie immun sind.

Standard: Wie oft steht Aussage gegen Aussage, und es kommt nicht zu einer Verurteilung?

Steiner: Oft, das ist problematisch. Über die Daten der Frau wird versucht, die Zeugenaussagen zu stützen. Bei dem Urteil Ende März gegen die sechs Bulgaren waren die Strafen relativ niedrig - obwohl es objektive Beweise gab, sogar eine Telefonüberwachung, Zeuginnen und offensichtlich über 30 Opfer.

Standard: Oft argumentiert die Verteidigung, die Opfer wären schon im Heimatland der Prostitution nachgegangen.

Steiner: Es ist weder für den Tatbestand des Menschenhandels noch für den grenzüberschreitenden Prostitutionshandel relevant, was die Frau vorher gemacht hat.

Standard: Was bewirken solche milden Urteile?

Steiner: Wenn die Verurteilten im Anschluss an die Verhandlung nach Hause geschickt werden, ist das heftig für die Opfer. Sie müssen nun davon ausgehen, dass sie die Täter irgendwo treffen. Oder dass die ihre Drohungen wahr machen, sie suchen und bis in die Heimat verfolgen. Wenn die Urteile strenger ausfallen, haben die Opfer einen gewissen zeitlichen Spielraum, sich zu erholen.

Standard: Wie lukrativ ist Menschenhandel?

Steiner: Es ist eines der gewinnbringendsten Geschäfte der Welt. Viele Täter gelten bei der Verhandlung als mittellos, fahren aber Mercedes. Das größte Pro-blem ist, dass die Ermittlungsbehörden kein Augenmerk darauf legen, ob in den Kästen ein Pelzmantel hängt, den sie beschlagnahmen könnten.

Standard: Sehen Sie beim neuen Prostitutionsgesetz in Wien schon mehr Möglichkeiten, Menschenhandel aufzudecken?

Steiner: Ich habe im Rahmen meiner Tätigkeiten überhaupt keine Änderung wahrnehmen können. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 13.4.2012)