Laufhäuser, Bordelle, Puffs: Mit dem neuen Gesetz etabliert sich auch eine neue Szene im Wiener Rotlichtmilieu.

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Wien - Seit fast sechs Monaten gilt in Wien das neue Prostitutionsgesetz. Wie sieht eine erste Bilanz aus? Der Straßenstrich ist durch das Verbot weitgehend aus den Wohngebieten verschwunden. Die angekündigten Erlaubniszonen sind ausgeblieben, dafür drängen sich laut der Organisation sexworker.at "bis zu 70 Frauen" in einem Teil des Wiener Praters in der Leopoldstadt.

"Die Eskalation ist programmiert", befürchtet Christian Knappik von der Organisation. Auch seitens der Polizei kommt Kritik an den Platzverhältnissen, allerdings anonym: Stammplatzerpressungen drängten die Frauen ohne "schwergewichtige Beschützer" (sprich: Zuhälter) in die Illegalität. Weil kein anderer Bezirk den Straßenstrich erlauben will, bremst jetzt die Leopoldstadt und will ein Verbot erwirken.

Neuanmeldungen steigen

Selbstbestimmtheit sollte das neue Gesetz den Prostituierten ermöglichen und Menschenhandel weniger lukrativ machen. Doch solange die Sittenwidrigkeit aufrechterhalten bleibt, können Prostituierte weder angestellt werden, noch Honorare einklagen.

Die Neuanmeldungen steigen kontinuierlich: Aktuell arbeiten rund 2700 Frauen und 100 Männer in Wien als Sexarbeiter. Zum Vergleich: Im Jänner waren es 2500, vor zwei Jahren 2000. Knappik vermutet, dass weit mehr ihre Kunden nun illegal in der U-Bahn oder in Einkaufsstraßen suchen - nur eben nicht erkennbar und somit nicht kontrollierbar.

"Paket Menschenhandel"

Die Anrainer konnten mit der neuen Regelung entlastet werden, bilanziert Birgit Hebein von den Grünen. Doch bei der Umsetzung der Erlaubniszonen und der Abschaffung der Sittenwidrigkeit stocke es derzeit. Die milde Verurteilung von Menschenhändlern in der jüngsten Zeit sei ein " verheerendes Signal". Deswegen arbeite das Innenministerium und die Steuerungsgruppe, wo auch SPÖ, die Polizei und NGOs vertreten sind, intensiv an einem "Paket Menschenhandel".

Über die Frauen versuche man an die Drahtzieher zu kommen, erklärt ein Polizist der Einsatzgruppe Menschenhandel. Das Gesetz gebe der Exekutive mehr Zugriffsrechte, aber es sei noch zu früh, um die Wirksamkeit beurteilen zu können. Laut Außenministerium werden jährlich rund 200 Fälle von Menschenhandel in Österreich bekannt, über die Dunkelziffer gibt es keine Auskunft.

Opferschutz gebe es in Österreich so gut wie keinen, kritisiert Knappik. In vielen Fällen sei eine Aussage gegen den Peiniger wie eine Selbstanzeige; etwa wenn die Frau illegal in der Wohnung anschaffen musste. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 13.4.2012)