Josef Weghaupt, Wien, Naglergasse: Für sein doppelt gebackenes Joseph-Brot steht die Kundschaft bis auf die Gasse an.

Foto: Heribert Corn

Denise Pölzelbauer, Brunn/Pitten: Fünf Elemente aus dem 130 Jahre alten Steinofen.

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Franz Brandl, Linz: Bessere Handsemmeln wird man nirgendwo finden.

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Helmut Gragger, Wien, Spiegelgasse: Brot wie frisch aus Paris, gebacken im selbst konstruierten Holzofen.

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Erich Kasses, Thaya: Der einzige Slow Baker Österreichs kultiviert 20 verschiedene Sauerteige, bäckt u. a. für Graben-Meinl.

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"Das sind halt echte Handsemmeln, wie sie früher waren", schwärmt Erich Kasses, "kompakt, duftig, saftig. Na, so gut bring ich die nicht einmal selber hin!" Ein Bäcker, der die Semmeln der Konkurrenz lobt - das wird man kaum je finden. Aber Kasses, der Mann, der in Thaya, im hohen Norden des Waldviertels, täglich 130 Brotsorten bäckt, der nicht weniger als 20 verschiedene Sauerteige kultiviert, der seit 30 Jahren der mit Abstand wichtigste Brotlieferant des Meinl am Graben (und ein paar weiterer feinster Delikatessläden der Hauptstadt mehr) ist und der als Einziger im Lande die Auszeichnung "Slow Baker" führen darf - dieser Erich Kasses ist eben kein normaler Bäcker. Vielleicht fällt ihm auch deshalb kein Zacken aus der Krone, wenn er die Brandl-Semmeln als überlegen anerkennt.

Früher war's besser - zumindest das Brot 

Noch dazu, wo die beiden für dieselbe Sache kämpfen - um ordentliches, um echtes Brot nämlich. Das mag verzopft und altvaterisch und sogar hart an der Grenze zum Ewiggestrigen klingen, nur: Bei Brot ist es tatsächlich so, dass früher einmal alles besser war. Dass es kaum noch Bäcker gibt, die sich den allnächtlichen Tschoch noch antun. Weil die erdrückende Mehrheit der Österreicher ihr Brot längst aus dem Backshop des Supermarktes bezieht, jenem künstlich bedufteten Ort also, an dem tatsächlich "laufend" und angeblich sogar "frisch" gebacken wird. Eine Mehrheit, die auch noch überzeugt ist, dass es auf diese Weise besser sei.

Wobei - es ist nicht so, dass die Bäcker für den lamentablen Zustand ihres Gewerbes nicht auch selber Verantwortung übernehmen müssten. Zu lange haben zu viele sich von fixfertigen Industriebackmischungen zum Minderleisten verführen lassen und statt langsam geführten Teiges die Fertigmischung aus dem Großkonzern verbacken. Dass der Kunde irgendwann keinen Sinn mehr darin erkennen konnte, für Industriebrot weiter zum Bäcker zu pilgern, wenn er denselben Schrott auch im Supermarkt mitnehmen konnte, lässt sich nachvollziehen.

Ein Silberstreif am Horizont

Wieder einmal musste es echt schlimm werden, damit sich irgendwann doch ein Silberstreif am Horizont zeigte. Bäcker wie Kasses und Brandl sind Vertreter einer akut bedrohten Spezies. Bäcker, die den Betrieb von den Eltern übernommen haben, gibt es immer weniger. Dennoch kommen seit ein paar Jahren vermehrt Bäcker auf, für deren Brot sich die Kunden anstellen, als ob es rationiertes Gut wäre.

Denise Pölzelbauer etwa, die vor ein paar Jahren zur jüngsten Bäckermeisterin des Landes gekürt wurde, hat den elterlichen Betrieb im niederösterreichischen Brunn an der Pitten von Grund auf umgekrempelt. Ihr Brot, das sie im 130 Jahre alten Steinofen nach den Grundsätzen der Fünf Elemente bäckt, ist mit Ingwer, mit Kukurma oder Garam Masala aromatisiert. Die lokale Kundschaft hat sie damit zwar ziemlich geschlossen verloren, dafür gehören nun einige der besten Restaurants in Wien, vom Vestibül abwärts, zu ihren Kunden. Pölzelbauers Weingebäck, für das Weizenmehl, Butterschmalz, Meersalz, Kräuter und vermahlene Traubenkerne zu höchst verlockender Knusprigkeit gebacken werden, exportiert sie mittlerweile in die Schweiz.

Holzofenbrot nach Pariser Art

Helmut Gragger hingegen, der mit seiner edlen Holzofenbäckerei in der Wiener Spiegelgasse für unendlich feinen Duft (und ebenso lange schlangen) in der Wiener Spiegelgasse sorgt, war herkunftsmäßig nicht vorbelastet: Der einstige Nestlé-Mitarbeiter hatte die Produkteinschulungen für allerlei Backmittel schlichtweg satt, als er 1997 den Job an den Nagel hängte und statt dessen im oberösterreichischen Ansfelden eine Bäckerei mit selbst entworfenem wie auch -gebautem Holzofen in Betrieb nimmt. Die neue Backstube in der Wiener Innenstadt hätte er sich aber trotz großen Erfolges in Linz und Umgebung nicht leisten können:

Der Textilerbe Christian Palmers war es, der sich echtes Holzofenbrot nach Pariser Art auch für Wien wünschte und es sich leisten wollte, dafür auch auf ein paar Jahre Mieteinnahmen im Lokal des Innenstadthauses zu verzichten: "Die Genehmigung des Ofens allein hat drei Jahre und unzählige Behördenwege gekostet", sagt Gragger, "ohne den Rückhalt meines Hausherrn wäre das schlicht nicht leistbar gewesen."

Echtes Brot statt Backshop-Einheitsbrei

Ein Innenstadtgeschäft in bester Lage war auch für Josef Weghaupt die Voraussetzung, um sein Joseph-Brot auf Anhieb unter die richtigen Leute zu bringen. Weghaupt lässt von seinem Geschäftspartner, dem Bäckermeister Fritz Podotschnig, im niederösterreichischen Vitis backen, in der Wiener Naglergasse werden lediglich Semmeln, Salzstangeln und sonstiges Feingebäck in den Elektroofen geschoben. Das Geschäft hat die Beiden freilich so viel gekostet, dass alles andere als der durchschlagende Erfolg mit langen Schlangen begeisterter Käufer schlicht eine Katastrophe und das Ende des Abenteuers bedeutet hätte.

Weghaupt, der sein besonders saftiges und besonders lang anhaltend knuspriges Joseph-Brot zweimal bäckt, hat wie Podotschnig ursprünglich in der Backindustrie gearbeitet, im Marketing von Kuchenpeter. Irgendwann aber wusste er, dass er damit nicht glücklich werden würde. "Und irgendwie hab ich gespürt, dass es den Kunden auch so geht", sagt er, "wenn man einmal echtes Brot gekostet hat, dann lässt man sich nicht mehr so einfach abspeisen." (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 13.04.2012)