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Die Socke blitzt immer öfter in einem sengenden Feuerrot, einem lieblichen Dotterblumengelb oder einem reiseprospekthaften Reisfeldgrün unter der männlichen Hose hervor.

Es gehört zu den Eigenheiten der männlichen Artgenossen, dass sie ein schwieriges Verhältnis zu Farben haben. Während sich viele männliche Bewohner des Tierreichs in den leuchtendsten Farben präsentieren, um auf diese Weise auf ihre Schön- oder auch Geilheit aufmerksam zu machen, liebt es der mitteleuropäische Mann eher gedeckt.

Ein dumpfes Asphaltgrau, ein schattiges Borkenbraun, ein verschmutztes Donaublau oder ein verwaschenes Nachtschwarz: Das sind die Farben, die des Mannes Stand und Würde in unseren Breiten am besten unterstreichen. Wer etwas auf sich hält, und vielleicht noch nebenbei eine Versicherung verkaufen möchte, der macht bei Farben jedenfalls keine Experimente. Davon ausgenommen war und ist nur die Krawatte. Sie ist Tummelplatz für all jene männlichen Exzentrizitäten, die ansonsten mühevoll in Schach gehalten werden.

Farbauslebzonen des Mannes

Wenn man so will, sind Krawatten die Farbauslebzonen des Mannes - also das, was bei Businessfrauen der Schal ist; oder bei Psychotherapeuten die bunte Brille. Neuerdings bekommt die Krawatte aber ernstzunehmende Konkurrenz von einem Kleidungsstück, das eigentlich für seine Bodenständigkeit bekannt ist, nämlich der Socke.

Sie blitzt immer öfter in einem sengenden Feuerrot, einem lieblichen Dotterblumengelb oder einem reiseprospekthaften Reisfeldgrün unter der männlichen Hose hervor. Und das nicht nur bei englischen Gentlemen oder geckenhaften Adeligen, die darauf schon länger stehen. Nein, die Socke ist auf dem besten Weg, die Farben, die ihr im Laufe der Geschichte abhandengekommen sind, wieder zurückzuerobern. Den Männern kann das nur guttun. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 13.04.2012)