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Spenderniere

Foto: EPA/BALAZS MOHAI

So schnell kann's gehen: Kaum hat sich die nur in Österreich große Aufregung um das kurze Geplänkel zwischen Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker aus Luxemburg und Finanzministerin Maria Fekter beim Eurotreffen in Kopenhagen während der Osterfeiertage wieder einigermaßen gelegt, schon steht sie vor der Ablöse aus dem Amt. Angeblich. Zumindest dann, wenn man der Presse und dem Kurier Glauben schenken darf, der sich Sorgen macht, dass die ÖVP in Umfragen einen historischen Tiefststand erreicht hat.

Fekter könnte durch einen „österreichischen Mario Monti" ersetzt werden, etwa Ex-Böhler-Uddeholm-Chef und Notenbankpräsident Claus Raidl, raunt das eine Blatt. Als Grund wird ins Treffen geführt, dass die Finanzministerin Juncker brüskiert habe, weil sie die Aufstockung der Eurorettungsschirme frühzeitig bekanntgemacht habe und dann - im Standard - dessen „unwirsches Verhalten mit seinen Nierensteinen erklärte".

Parteichef Michael Spindelegger wolle die Spekulationen nicht kommentieren; was in Wien offenbar als sicheres Zeichen gedeutet wird. Unklar bleibt, welche Rolle Landeshauptmann Erwin Pröll dabei spielt.

Denn auch der Kurier sieht Fekters Zeit ablaufen: „Im Ecofin hat sie sich ruiniert", zitiert das andere Blatt „EU-affine ÖVP-Kreise", die von „entsprechendem Entsetzen" getrieben sind (ein Schelm, wer dabei an Othmar Karas denkt). Im EU-Finanzministerrat werde ihr weniger angelastet, dass sie Juncker die Show gestohlen hat, so die Quelle, sondern dass sie dessen Ärger damit erklärte, dass Juncker von Nierensteinen geplagt werde. Fekter habe „nun auch noch die EU-Kompetenz der ÖVP beschädigt".

Kein Tabubruch

Erneut werden also die Nierensteine bemüht, die vor einer Woche auch in der ORF-Berichterstattung zum Fall eine herausragende Rolle eingenommen haben. Vielleicht liegt es ja an der Tatsache, dass beide Zeitungen in Kopenhagen nicht vertreten waren. Aber die Behauptung, die Finanzministerin habe mit der Erwähnung von Juckers Nierensteinproblem ein Tabu gebrochen und in halb Europa einen Sturm der Entrüstung losgetreten, ist sachlich nicht zu halten. Sie ist falsch. Und auch ein wenig lächerlich, was den behaupteten Imageschaden für Österreich betrifft.

Das Outing hat eine seriöse Quelle: Dass Jean-Claude Juncker Probleme mit Nierensteinen hat, das berichtete unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters schon zweieinhalb Tage vor Erscheinen des Standard-Interviews mit der Finanzministerin, in dem es unter anderem um die Juncker-Absage ging, vor allem aber um den Umstand, dass Österreich seine Euro-Garantien von 21 auf 40 Milliarden Euro fast verdoppelt habe.

Nicht ganz eine Stunde nach Fekters Kurzauftritt und Junckers überraschender Blitzabsage einer Pressekonferenz mit Zentralbankchef Mario Draghi informierte Reuters um 12:53 Uhr aus der dänischen Hauptstadt sachlich kühl: „Juncker hat in den vergangenen zwei Jahren schon lange über gesundheitliche Probleme geklagt - zuletzt über Nierensteine - und über Erschöpfung. Er hat sich auch nicht den Euroministern beim gemeinsamen Mittagessen angeschlossen, heißt es aus zwei verschiedenen Quellen."

Juncker frustriert

Soweit der lange Reuters-Bericht zu den Nierensteinen, in dem auch sehr genau analysiert wird, warum Juncker aufhört, dass er vor allem frustriert gewesen sei, weil das von ihm geplante Personalpaket und die Wahl des luxemburgischen Notenbankchefs Yves Mersch in die EZB-Spitze am französischen Widerstand scheiterte; und dass er schon in der Sitzung den spanischen Finanzminister zusammenfaltete, weil in El Pais Details aus einer früheren Eurogruppensitzung abgedruckt worden waren; sich zu Mittag ins Hotelzimmer verzogen habe.

So stellte sich das für Insider in Kopenhagen dar. Problematisch war eher Junckers Absage und sein Zustand, nicht Fekters Vorpreschen.
Hätte sie gesagt, sie wisse auch nicht, was Juncker über die Leber gelaufen sei, dann vielleicht hätte der eine oder andere die Augenbrauen gehoben.

Zumindest im Raiffeisenblatt scheint die Sache für Fekter in Wien dennoch gelaufen. Schon vor den jüngst kolportierten Ablösegerüchten hieß es dort in mehreren pointierten Artikeln, in Zukunft werde im Kreis der EU-Finanzminister in Anwesenheit von „Miss Fettnapf" wohl nur noch über das Wetter geredet. Ein Kleinstaat-Minister habe auf Brüsseler Parkett ohnehin nichts zu sagen. Sie habe das Land „ins Out manövriert". Und es wird sogar der Politikwissenschaftler Fritz Plasser bemüht. Das offene Plaudern über Junckers Schmerzen sei „ein absoluter Fauxpas (Fehltritt, Anm.), das ist ein Vertrauensbruch". Offenbar hat auch der Politologe Plasser die Nachrichtenagenturen nicht gelesen und eine Ferndiagnose gewagt. (derStandard.at, 11.4.2012)