Stützenhofen - Die Vorgärten der kleinen, zumeist gelb gestrichenen Häuser sind bereits akkurat auf Frühling getrimmt. Bunte Blumen, gestutzte Sträucher, frisch polierte Gartenzwerge. Kaum Menschen auf der Straße, ein Gasthaus oder ein Lebensmittelgeschäft gibt es in der Weinviertler Gemeinde Stützenhofen schon lange nicht mehr. Hoch über dem Ort steht auf einem Kreuzberg ein mächtiges Holzkreuz. Doch der Haussegen hängt zu Tale schief.

Vor der kleinen Kirche ist in einer Glasvitrine das Ergebnis der heurigen Pfarrgemeinderatswahl angebracht. Gleich daneben ein Schreiben von Kardinal Christoph Schönborn, in dem er das Wahlergebnis bestätigt. Auf der Liste steht auch Florian Stangl. 94 von 119 möglichen Stimmen hat der 26-Jährige bekommen. Dass Stangl homosexuell ist und mit seinem Partner in einem kleinen Haus am Ortsanfang lebt, wissen die meisten Stützenhofner - man wollte den Mann trotzdem im kirchlichen Laiengremium.

"Ist doch völlig wurscht, dass der schwul ist. Das Ganze ist nicht das Problem von Stützenhofen, vielmehr eines der Kirche. Wir stehen hinter unserer Entscheidung", stellt Landwirt Johann Krammer klar, während er blitzblaues Düngemittel in spezielle Behälter füllt. Der ganze Ort würde hinter Stangl stehen, auch wenn Pfarrer Gerhard Swierzek jetzt drohe, die Pfarre aufzugeben. "Jo mei, ist er halt weg, der Herr Pfarrer. Es ist eine persönliche Entscheidung", bleibt Krammer gelassen.

Gescheitert an der "starren Geisteshaltung"

Franz Schuster, Wahlleiter bei der umstrittenen Pfarrgemeinderatswahl, findet noch deutlichere Worte: "Der Kardinal hat die Wahl bestätigt. Da musst als Pfarrer schon fest wo ang'rennt sein, wennst so etwas nicht akzeptierst. Pfarrer Swierzek ist nicht an der Pfarre Stützenhofen gescheitert, sondern vielmehr an sich selbst und seiner starren Geisteshaltung." Der Ortspfarrer habe durch sein Vorgehen "die Basis für ein seelsorgerisches Arbeiten in der Gemeinde verloren".

Schuster: "Niemand in der Pfarrgemeinde hat verlangt, dass er den Hut nimmt. Ein paar einlenkende, plausible Erklärungen seinerseits hätten sicherlich dazu beigetragen, dass sich das Leben in der Pfarre wieder einrenkt. Aber er verharrt in seiner starren Geisteshaltung und scheitert daran."

Für den jüngsten Aufreger sorgte aber der stellvertretende Pfarrgemeinderatsobmann Gerhard Wolfram. Der Geflügelzüchter machte in der Palmsonntagsmesse am 1. April publik, dass Pfarrer Swierzek ein Telefonat mit Kardinal Schönborn geheim aufgezeichnet habe. Der Kardinal soll darin dem Weinviertler Gottesmann unmissverständlich klargemacht haben, dass "das" mit Florian Stangl "nicht sein dürfe" und er (Pfarrer Swierzek) alles daransetzen müsse, den Kandidaten vom Stimmzettel " verschwinden" zu lassen.

"Tja, so hat das der liebe Herr Kardinal gesagt." Gerhard Wolfram vergönnt einigen seiner Puten noch ein paar Minuten Leben und wischt sich das frische Blut von den Händen. Der Pfarrer sei mit dem Tonband zu ihm gekommen. Wolfram: "Er hat mir die Aufzeichnung vorgespielt und gesagt, dass wir ihm helfen müssen."

Verständnis für den Pfarrer

Man müsse den Pfarrer auch verstehen: "Zuerst ist der Kardinal dagegen, dann plötzlich dafür. Unser Pfarrer lebt halt streng nach den Kirchenregeln." Am Donnerstag veröffentlichte der Kurier jedoch ein Gespräch mit einer angeblichen Geliebten des Pfarrers.

Das Tonband selbst sei im Besitz des Pfarrers. Und so meint der Geflügelzüchter: "Darauf passt er auf, das ist sein Trumpf." Aber eigentlich ist Wolfram jede Lösung recht. "Mir is' des scho' wurscht. Entschieden wird das in der Erzdiözese. Ich kann auch mit einem homosexuellen Pfarrgemeinderat leben. Ich will nur endlich meine Ruhe."

Pfarrer Swierzek selbst lebt im Pfarrhof der nahen Gemeinde Ottenthal. Doch vor der Türe zum Priestergemach wartet man umsonst. "Der Pfarrer redet nicht mit euch Journalisten", lässt eine Passantin wissen. Auch Florian Stangl hat genug gesagt. "Keine Interviews, keine Fragen", lässt er ausrichten. In der Kirche von Stützenhofen entzündet eine ältere Dame ein Licht. Die Aufregung sei für sie unverständlich: "Alle haben gewusst, dass die zwei Burschen zusammen sind. Auch der Pfarrer. Da waren auch ganz viele aus dem Ort bei der Hochzeit dabei." Jetzt sei man deswegen "dauernd im Radio - damit können viele hier nicht umgehen. Wir sind gern ein verschlafenes Nest." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 12.4.2012)