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Susan Sontag: Friedenspreis dafür, dass sie nie das europäische Erbe aus dem Blick verloren hat

Foto: apa/epa/Carmelo Lattassa
Frankfurt/Main - Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht in diesem Jahr an die US-amerikanische Schriftstellerin und Kulturtheoretikerin Susan Sontag. In einer Welt der gefälschten Bilder und der verstümmelten Wahrheiten sei Sontag (70) für die Würde des freien Denkens eingetreten, hieß es in der Begründung des Stiftungsrates. Der Friedenspreis wird während der Frankfurter Buchmesse am 12. Oktober in der Paulskirche verliehen. Sontag ist die 54. (und siebte weibliche) Trägerin der mit 15.000 Euro dotierten Auszeichnung.

Essayistin

Die am 16.1.1933 in New York als Susan Rosenblatt geborene Kritikerin, Filmemacherin und Regisseurin zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen US-Autorinnen. Internationale Anerkennung erwarb sie sich vor allem mit ihren kunst-, kultur- und zeitkritischen Essays. Sie veröffentlichte aber auch Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke und führte in einigen Filmen Regie. Ihre Werke wurden in 23 Sprachen übersetzt.

Prominenteste intellektuelle Botschafterin

Mit ihrer Arbeit, die nie das europäische Erbe aus dem Blick verloren habe, sei Sontag zur "prominentesten intellektuellen Botschafterin zwischen beiden Kontinenten" geworden, lautete die Begründung weiter. "Mit großer analytischer Schärfe hat sie seit den sechziger Jahren die Ausprägungen der dynamischen Alltagskultur und ihre Bedeutung für unsere Vorstellung von Modernität und Freiheit beschrieben." Große Verdienste habe sich Sontag zudem als Vermittlerin der europäischen, insbesondere der deutschen Literatur erworben.

Poetik- Dozentur in Tübingen

Im laufenden Sommersemester übernimmt die 70-Jährige eine Poetik- Dozentur in Tübingen. Für ihren historischen Roman "In America" erhielt Sontag 2000 den National Book Award. In ihrem neuen Buch "Das Leiden anderer betrachten" (August 2003) beschäftigt sie sich mit Kriegsfotografie. Auch darin sei sie ihrem "unverrückbaren Ethos" treu geblieben, "als Zeugin einer immer noch von Kriegen heimgesuchten Epoche mutig und verantwortungsvoll auf dem Recht der Opfer zu beharren."

Im eigenen Land war Sontag vor allem in konservativen Kreisen oft umstritten. So bezeichnete sie die Kommentierung des Attentats auf das World Trade Center in New York provozierend als eine Kampagne von Politikern und Medien, ihre Polemik gegen die US- Regierung brachte ihr den Vorwurf des Landesverrats ein.

Mit 16 Jahren an die Uni

Sontag besuchte schon mit 16 Jahren die Universität, ein Jahr später heiratete sie und wurde Mutter eines Sohnes, der inzwischen selbst Autor mehrerer Bücher ist. Sie studierte unter anderem Philosophie und Literaturwissenschaft in Oxford und Harvard und lehrte an verschiedenen Universitäten. 1993 hielt sie sich im belagerten Sarajewo auf, um die Angst von Menschen in bewaffneten Konflikten zu verstehen, und inszenierte dort Samuel Becketts "Warten auf Godot". Im März vergangenen Jahres kündigte sie an, keine Essays mehr schreiben und sich stärker auf Romane konzentrieren zu wollen.

Der seit 1950 vergebene Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen in Deutschland. Geehrt wird damit eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. (APA/dpa)