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Eine Auswahl aus den vom Alpenverein untersuchten Gletschern.

Grafik: APA/Alpenverein

Innsbruck - Das Jahr 2011 hat zu einem weiteren Rückgang der heimischen Gletscher geführt. Nachdem die Gletscherzungen bereits im Jahr zuvor um rund 14 Meter zurückgeschmolzen waren, kamen im vergangenen Jahr noch einmal rund 17 Meter hinzu, erklärten Vertreter des Alpenvereins am Freitag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung seines "Gletscherberichts 2010/11" in Innsbruck. 97 Prozent der Gletscher schmolzen laut den Experten im vergangenen Jahr zurück, drei Prozent wurden als stationär eingestuft.

Kein einziger der 95 nachgemessenen Gletscher habe im Jahr 2011 einen Vorstoß verzeichnen können. Bei 15 Gletschern seien sogar Längenverluste von mehr als 30 Metern registriert worden, erklärte die Leiterin des Alpenverein-Gletschermessdienstes, Andrea Fischer. Das seien doppelt so viele wie noch ein Jahr zuvor. "Die lange Schmelzdauer führte 2011 zu starken Rückgängen an den Zungen. Diese reichen weit ins Tal und sind so den hohen Temperaturen besonders ausgesetzt", sagte Fischer. Der Frühsommer 2011 sei deutlich wärmer gewesen als im sonstigen Durchschnitt, was zu einer verfrühten Gletscherschmelze geführt habe. Der Eisnachschub ließ zu wünschen übrig, die Schneereserven waren in den Nordalpen kaum vorhanden.

Auch Pasterze am Glockner betroffen

Die 20 ehrenamtlichen Beobachter des Alpenvereins-Gletscherdienstes stellten auf dem Firmisan-Ferner im Ötztaler Niedertal den größten Rückgang fest. Dort bildete sich der Gletscher um 64,5 Meter zurück. Dieser Gletscher war laut Alpenverein neu im Messprogramm und wurde daher in den Durchschnittsberechnungen noch nicht berücksichtigt. Von jenen Fernern, die bereits seit Jahren beobachtet werden, seien der Simony-Kees mit einem Rückgang von 56 Metern und der Viltragen-Kees mit minus 54 Metern am stärksten geschmolzen. Auch der im Ötztaler Rofental gelegene Vernagt (minus 47 Meter) und der Kesselwand-Ferner (minus 43 Meter) wurden offenbar besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.

Die Gletscherschmelze machte offenbar auch vor dem wohl bekanntesten Gletscher Österreichs nicht halt: Die Pasterze in der Glocknergruppe bildete sich um weitere rund 40 Meter zurück. Im Jahr zuvor waren es bereits knapp 25 Meter. "Erstmals war auch die Gletschermitte von den Zerfallserscheinungen betroffen", sagte Fischer. 

"Gesundschrumpfen"

Der zunehmende Abbau der Gletscherzungen in den vergangenen Jahren habe aber auch einen positiven Effekt, weil sich die Gletscher dadurch "automatisch in das Kalte", also in höhere Lagen, zurückbilden, erklärte Fischer. Dadurch könnten sie sich wieder stabilisieren.

Die Eisriesen würden jedenfalls voraussichtlich auch noch in 100 Jahren existieren, meinte die Expertin. Denn um die 200 bis 300 Meter dicken Gletscher vollständig abzubauen, dauere es schon bis zu 200 Jahre. Selbst wenn die Gletscher doppelt so schnell schmelzen würden und überhaupt kein Schnee mehr falle, seien rund 50 Jahre nötig, um sie vollständig zum Verschwinden zu bringen, so die Gletscherforscherin. "Die Gletscher werden aber ohne Zweifel weiter zurückgehen, unabhängig vom Wetter der nächsten Jahre."

Die Gletscherzungen würden nicht mehr dem heutigen Klimazustand entsprechen und darum von den Gletschern mehr und mehr abgebaut werden. Die großen Ferner würden darunter am meisten leiden. "Der Zungenabbau ist wie ein Gesundschrumpfen", so Fischer. (APA/red, derstandard.at, 6.4.2012)