Hamburg/Berlin  - Der wegen seines Israel-kritischen Gedichts  "Was gesagt werden muss" in die Kritik geratene Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass sieht sich als Opfer einer Kampagne. "Der durchgehende Tenor ist, sich bloß nicht auf den Inhalt des Gedichtes einlassen, sondern eine Kampagne gegen mich zu führen, und zu behaupten, mein Ruf sei für alle Zeit geschädigt", sagte Grass in einem Interview mit dem NDR, das dieser am Donnerstag auf seiner Homepage veröffentlichte. "Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht", sagte der 84-Jährige.

Auch in einem Interview mit dem Magazin "Kulturzeit" des Fernsehsenders 3sat wies Grass die Kritik an seiner Person als überzogen zurück. "Eine derart massive Verurteilung bis hin zum Vorwurf des Antisemitismus ist von einer verletzenden Gehässigkeit ohnegleichen. Das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt", sagte Grass. "Ich werde hier an den Pranger gestellt." Es helfe Israel überhaupt nicht, kritikwürdige Vorgänge und Zustände nicht beim Namen zu nennen. Deshalb sei für ihn klar: "Widerrufen werde ich auf keinen Fall."

Allerdings räumte der Schriftsteller in dem "Kulturzeit"-Gespräch einen Fehler ein. Es wäre besser gewesen, nicht von "Israel" generell zu sprechen, sondern von der "derzeitigen Regierung Israels". An dieser Stelle habe er einen Fehler gemacht, den er nicht wiederholen würde. Grundsätzlich gelte aber: "Mit kritikloser Hinnahme hilft man Israel nicht. Das ist Nibelungentreue und wir wissen, wohin die führt." Die Lieferung eines sechsten U-Boots an Israel durch Deutschland, der Auslöser seiner Publikation, sei nun einmal "eine falsche Form der Wiedergutmachung".

Den Vorwurf des Antisemitismus wies Grass zurück. Angst vor Beifall von der falschen Seite, etwa von der rechtsextremen NPD, habe er nicht. "Dann wäre einem ja gleich das Maul versperrt, daran habe ich mich nie gehalten."  (APA, 5.4.2012)