Bald werden wir klarer sehen, was die politische Stimmung im Lande betrifft. Dann nämlich, wenn die Zahl der Bürgerinnen und Bürger feststeht, die Interesse am Gemeinwesen mit einer Unterschrift unter das Volksbegehren "MeinOE" bekennen. Die Klarsicht bezieht sich nicht auf Veränderungen, die solch ein demokratiepolitisches Elixier bewirken könnte - wenn es überhaupt welche bewirkt -, sondern darauf, ob dem schon rituellen Gejammer, das die Innenpolitik seit langem begleitet, ein wenig Wille innewohnt, zur Veränderung als misslich empfundener Zustände etwas beizutragen, und sei es fürs Erste nur mit einem Gang aufs Gemeindeamt.

Besonders gut stehen die Chancen nicht. Obwohl Bildung angeblich doch alle angeht und die Einsicht, dass es um Österreichs Bildungswesen nicht gut bestellt ist, bis in bildungsfernste Schichten durchgesickert ist, war dem von Hannes Androsch organisierten Volksbegehren nur ein mäßiges Interesse beschieden. Die Wutbürgergesellschaft ergeht sich gern in der Beschwörung guter alter Zeiten, in denen noch ein Julius Raab seine schützende Hand über Österreich hielt und Politiker noch nicht jenen Boulevardmedien nach dem Mund redeten, aus denen sie selbst ihre nicht selten blinde Wut bezieht. Aber wenn es darum geht, mit seinem Namen für etwas einzustehen, lässt die Begeisterung für ein positives Ziel rasch nach.

Möglicherweise handelt es sich dabei auch um vorauseilende Resignation, schließlich hielt sich die von Volksbegehren ausgehende Wirkung zumeist in engen Grenzen. Wozu bei diesem Volksbegehren der Altpolitiker diesmal kommt, dass es der Quadratur des Kreises ziemlich ähnlich ist. Es verlangt nicht mehr und nicht weniger als die Abstellung von Zuständen, die einzureißen begannen, als die nun aufbegehrenden Honoratioren noch im Amt waren - abzustellen von Politikern, unter denen sich diese Zuständen bis zur Unerträglichkeit verschärft haben.

Andere Politiker, die diese Aufgabe schultern könnten, gibt es bei realistischer Betrachtung nicht. Auch wenn sich die Grünen anbieten, gefordert wären SPÖ und ÖVP. Aber dass die Koalition vor Begeisterung sprüht, sich auch noch einer tiefgreifenden Verbesserung des demokratischen Systems zu widmen, wo sie kaum ihrer täglichen Aufgaben Herr wird, lässt sich nicht feststellen. Voraussetzung für eine glaubwürdige Qualitätsoffensive wäre eine Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. Wie jedoch die Vorgänge um den Korruptionsuntersuchungsausschuss zeigen ist daran eher nicht gedacht.

Vor allem die ÖVP hat aus Schüssels Regierungszeit ein Glaubwürdigkeitsproblem am Hals, das sich mit einem hausgemachten Verhaltenskodex à la Spindelegger nicht aus der Welt schaffen lässt. Da geht es der SPÖ besser. Wo andere nahmen, bot ihr Telekom-Sprecher dem Unternehmen laut "News" als hausgemachte Innovation zu Marketingzwecken "ein einzigartiges 'Breitband-Lebenselixier' von Blütenpollen aus dem Nationalpark" an. Das ist keine Schande, trotzdem liefert ihn seine Partei aus. Vermutlich aus Zorn: Sie hätte ein Breitband-Lebenselixier viel dringender nötig. (Günter Traxler, DER STANDARD, 6.4.2012)