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Nicht nur Autos gehören ins Museum finden Mobilitätsforscher. In Sachen Verkehr und Mobilität müssen ganze Lebensweisen "entsorgt" werden.

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Andreas Knie: Man weiß leider nicht, ab wann es den Leuten reicht, ob zum Beispiel 1,90 Euro noch akzeptabel wären.

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Die hohen Spritpreise rufen Autofahrer und ihre Vertreter auf den Plan. Dabei sind sie noch lange nicht hoch genug, um die Menschen zu bewegen, tatsächlich auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, sagt Mobilitätsforscher Andreas Knie.

derStandard.at: Die Menschen sind angesichts der hohen Treibstoffpreise nun offenbar eher bereit, nach Alternativen zum Auto zu suchen. Ist der Spritpreis schon hoch genug?

Andreas Knie: Der Spritpreis muss noch steigen. Die Leute sind noch nicht in dem Maße bereit, sich umzustellen, wie man das wünscht. Im Moment tendieren die Menschen dazu, weniger Auto zu fahren, aber noch nicht dazu, die Verkehrsmittel zu wechseln.

derStandard.at: Ihrer Ansicht nach muss es noch grundlegende Änderungen im Mobilitätsverhalten geben?

Knie: Ja. Verkehr ist ja eine Frage der Routine. Das ändert man nicht so schnell. Man hat sich vielleicht gerade ein Haus oder ein Auto gekauft. Da sind die hohen Spritpreise natürlich ärgerlich, aber wie gesagt: Dann wird eben weniger gefahren. Man fährt vielleicht ein bisschen Fahrrad, aber man steigt nicht um.

derStandard.at: Das ist für viele auch gar nicht so einfach, weil Mobilität einen Teil der Organisation des eigenen Lebens ausmacht ...

Knie: Genau. Bei der Jugend ist das anders. Wenn die Spritpreise jetzt dauerhaft hoch bleiben, schauen sich junge Menschen schon grundlegend nach Alternativen um. Sie schauen, dass sie überhaupt kein Auto für ihren Lebensstil brauchen. Sie fangen an zu überlegen: Muss ich pendeln oder kann ich in der Stadt wohnen? Sie stellen sich die Frage, wo die Arbeitsstelle sein soll. Da kommen mittel- und langfristig bei der Jugend mit den hohen Spritpreisen doch andere Präferenzen.

derStandard.at: In Österreich erreichte der Spritpreis eine Spitze von 1,50 Euro, in Deutschland ist er noch ein bisschen höher. Wo liegt bei den Menschen die Toleranzgrenze?

Knie: Man weiß leider nicht, ab wann es den Leuten reicht, ob zum Beispiel 1,90 Euro noch akzeptabel wären.

derStandard.at: In Sachen Mobilität tut sich nun einiges. Es gibt Carsharing, es gibt Car To Go, es gibt Fahrräder zum Ausborgen. Reicht das?

Knie: Nein. Wir brauchen noch mehr Alternativen. Diese Angebote sind alle noch lückenhaft und nur in manchen Ecken der Republik erhältlich. Was vor allem noch fehlt, ist die optimale Verknüpfung. Es geht um die Frage: Wie bekomme ich das mit mehreren Verkehrsträgern wie Bus, Bahn, Auto so verknüpft, wie ich das vom Auto kenne? Da steige ich morgens ein und abends wieder aus. Wir brauchen also eine dichtere Angebotsstruktur von diversen Sharing-Angeboten und wir brauchen eine intensivere Vernetzung der gesamten Angebotskette.

derStandard.at: Von wem müssen die entscheidenden Impulse kommen? Von der Politik oder den Anbietern?

Knie: Das ist natürlich eine Kombination aus den Anbietern, die damit Geschäfte machen wollen, und einer Neuorganisation der berühmten Rahmenbedingungen. Die müssen in den Städten natürlich neu organisiert werden. Zum Beispiel: Alles, was geshart wird, kann umsonst fahren, und alles, was noch Eigentum ist, dazu gehört auch Parken, muss teuer bezahlt werden.

derStandard.at: Hinken nicht die öffentlichen Verkehrsbetriebe diesen neuen Konzepten mit ihren Tarifen noch weit hinterher? Bahn und Öffis mit ihren Jahreskarten oder kilometerbasierten Tarifen machen das zeitweilige Umsteigen für Wenigfahrer nicht eben attraktiv ...

Knie: Die Autohersteller sind mit neuen Dienstleistungen und Tarifen die Aktiven, und nicht die Anbieter des öffentlichen Verkehrs. Der, der am meisten profitieren könnte, ist damit am schlechtesten aufgestellt. Im Endeffekt wird aber der öffentliche Verkehr schon von der Dynamik der Autohersteller profitieren. Aber diesen muss man auch auf die Finger schauen, damit sie das ordentlich machen.

derStandard.at: Über den urbanen Raum wird viel nachgedacht. Außerhalb des städtischen Raums sieht es nicht so gut aus. Für Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, ist der hohe Spritpreis ziemlich hart. Was machen die?

Knie: Das ist tatsächlich kurzfristig teuer und schwierig. Aber auch da muss man genau hinschauen. Was heißt genau angewiesen? Die Abhängigkeiten vom Auto sind tatsächlich unterschiedlich groß, die Alternativen unterschiedlich schlecht. Trotzdem ist man schon auch selbst Teil des Problems. Die Abhängigkeit vom Auto hat man sich selbst auch bewusst auferlegt. Wer aufs Land gezogen ist oder da lebt, weiß, dass er eine bestimmte Autoabhängigkeit hat.

derStandard.at: Das klingt ziemlich überheblich. Viele Menschen sind ja nicht aufs Land gezogen, sondern vielleicht ganz einfach dort geblieben.

Knie: Ja. Auch ich komme vom Land. Aber auch da kann man sein Leben autounabhängiger gestalten. Man darf nicht außer Acht lassen: In Deutschland haben wir mehr zugelassene Autos als Einwohner. Mein Lieblingsbeispiel sind immer die Vororte wie Elmshorn (Stadt 30 Kilometer nördlich von Hamburg, Anm.): 1.280 zugelassene Autos auf 1.000 Einwohner. Wie gesagt: Die hohen Preise treffen die Menschen am Land derzeit sicher stark, da muss man eben noch kostenbewusster Auto fahren und man muss mehr Auto teilen. Das ist auch am Land interessant.

derStandard.at: Das heißt, Sie gehen nicht davon aus, dass die Zeit wieder kommt, wo nur Wohlhabende Auto fahren?

Knie: Es geht darum, dass sich alle klügere Konzepte überlegen müssen. Die Schlauen teilen eben. Ich kenne da auch am Land durchaus funktionierende Beispiele. Eine Fahrgemeinschaft etwa mit fünf Einheiten: Die haben jetzt vier Autos abgeschafft, und das einzige verbliebene teilen sie ganz intelligent. Mit Hilfe der neuen sozialen Medien kann man Dinge sehr klug gemeinsam nutzen.

derStandard.at: Der Individualverkehr ist eine Sache, die andere ist der Güterverkehr. Wie sieht es da aus?

Knie: Wir haben beim Güterverkehr das gleiche Problem. Für die Waren spielen die Preise noch keine Rolle, weil der Transport bei der Kostenstruktur fünf bis sechs Prozent ausmacht. Deswegen können wir die Güter quer über den Globus und zurück transportieren. Deswegen haben wir Rosen und Tulpen und Bananen aus Afrika. Alles zu jeder Zeit überall verfügbar: Das ist ohnedies ein Auslaufmodell. Da wird eben wieder mehr aus den Regionen kommen müssen. Schon pädagogisch gesehen wäre es also gut, wenn die Preise steigen würden. Damit sich da etwas ändert, müsste der Preisanteil am Stückgut aber zehn bis 20 Prozent sein. Die Trauben aus Südafrika würden dann eben zwölf Euro je Kilo kosten. (Regina Bruckner, derStandard.at, 5.4.2012)