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Saif al-Islam kurz nach seiner Verhaftung im Süden Libyens.

Foto: REUTERS/Ismail Zitouny

Den Haag/Tripolis/Wien - Viereinhalb Monate nach der Verhaftung von Saif al-Islam Gaddafi im Süden Libyens kommt in den Fall Bewegung: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat am Mittwoch die sofortige Auslieferung des Sohnes von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi gefordert, der auch mit dem verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider befreundet war. Am Donnerstag berichtete das Büro der Verteidigung am ICC dann über inakzeptable Haftbedingungen des Gefangenen.

Der ICC hatte Ende Juni 2011 einen Haftbefehl gegen Saif al-Islam wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Seit der Verhaftung im November 2011 hatte Libyens Regierung jedoch zweifach beim ICC angesucht, eine Auslieferung des Angeklagten nach Den Haag aufzuschieben - zunächst wegen laufender Ermittlungen zu anderen Verbrechen, dann, weil man plane, ihn selbst wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen. 

Auslieferung fraglich

In ihrer Entscheidung von Montag lehnten die Richter der Vorverfahrenskammer dies ab. Ob es zur Auslieferung kommt, ist fraglich. Die Regierung nehme die Sache sehr ernst, sagte Fred Abrahams von Human Rights Watch, derzeit in Libyen, dem STANDARD. Ein eigenes Komitee der Regierung befasse sich damit. Doch: "Die Menschen in Libyen wollen alle, dass ihm dort der Prozess gemacht wird. Niemand hat von der Regierung gehört, dass sie ihn ausliefern wird."

Ermittlungen gegen Saif al-Islam gebe es in Libyen wegen Korruption und Verbrechen während des Krieges. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen seien im libyschen Strafrecht aber keine Straftatbestände.

Verteidiger: Gaddafi-Sohn in "totaler Isolation"

Das ICC-Büro der Verteidigung (OPCD) teilte am Dienstag mit, Saif al-Islam sei bisher nicht dem Richter vorgeführt worden, er habe keinen Rechtsbeistand und werde in "totaler Isolation" gehalten, ohne Kontakt zu Familie oder Freunden. Er sei körperlich attackiert worden und leide an unbehandelten Zahnschmerzen.

Demnach ist Saif al-Islam mehrfach verhört und lange Zeit falsch über die Vorwürfe informiert worden. So sei ihm mitgeteilt worden, es werde wegen Trivialitäten ermittelt, wie fehlender Lizenzen für Kamele oder Unregelmäßigkeiten bei Fischfarmen. Ihm und auch dem OPCD, dessen Vertreter ihn vor zwei Monaten besuchten, sei versichert worden, er werde nicht wegen schwerer Verbrechen angeklagt. Das habe sich erst angesichts einer Frist für die Auslieferung geändert. "Das Scheitern der libyschen Behörden, Herrn Gaddafi an den ICC auszuliefern, bedeutet, dass er in einem rechtlichen schwarzen Loch gehalten worden und seiner Rechte (...) beraubt worden ist." (Julia Raabe, DER STANDARD, 6.4.2012)