Wien/Kopenhagen - Die dänische Polizei will eventuelle Schritte gegen jenen Vater, der am Dienstag seinen Sohn von Graz nach Dänemark gebracht hat, erst nach Ostern setzen. Dies sei das Ergebnis einer Anhörung des Dänen durch die Behörden am Mittwochabend gewesen, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau. Der Vater selbst hielt in mehreren TV-Interviews fest, die Kindesentziehung sei wohlüberlegt gewesen. Er sieht sich im Recht, habe doch eigentlich die Mutter ihm das Kind entzogen, als sie mit dem Buben nach Österreich übersiedelt war.

"Das war keine Verzweiflungstat", erklärte der 40-Jährige. Er handle rechtmäßig, denn "ich habe die volle Obsorge". Kern des Konflikts sind zwei widersprüchliche Gerichtsentscheide: In Dänemark wurde dem Vater die Obsorge zugesprochen, und zwar im Vorjahr, in Österreich der Mutter. Der Vater beruft sich naturgemäß auf den dänischen Rechtsspruch. "Ich konnte nicht mehr länger darauf warten, dass Oliver durch die Trennung von seinen Freunden, seiner Familie und seinem Vater, der ihm sehr nahesteht, Schaden erleidet."

Haager Konvention vs. EU-Abkommen

Der Vater und seine Rechtsvertreter berufen sich in ihrer Argumentation auf die Haager Konvention, auch "Kindesentführungsübereinkommen" genannt: Es regelt die Vorgehensweise bei grenzüberschreitender Kindesentführung bzw. -entziehung. Die österreichischen Behörden und Gerichte verstoßen seiner Ansicht nach dagegen, sie hätten den fünfjährigen Buben längst zurück nach Dänemark lassen müssen und der Mutter keinesfalls das Sorgerecht übertragen dürfen. In Österreich indes führt man jenes EU-Abkommen (Brüssel IIa) ins Treffen, das regelt, dass Sorgerechtsentscheidungen der einzelnen Länder wechselweise zu akzeptieren sind. Dänemark hat diesen Vertrag indes nie unterzeichnet.

In dieser verfahrenen Situation will die dänische Polizei erst nach Ostern juristisch prüfen, wie mit dem in Österreich erlassenen Haftbefehl gegen den Kindsvater umzugehen ist. "Uns ist vor allem wichtig, dass es dem Buben gut geht", sagte ein Behördenvertreter. Über die in Skandinavien traditionell wichtigen Osterfeiertage sollen Vater und Sohn ihre Ruhe haben. Danach würden Juristen die österreichische Eingabe prüfen und versuchen, Ordnung in die verworrene Lage zu bringen. Ein Sprecher des Vaters interpretierte diese Vorgehensweise dahingehend, dass die Polizei "zum jetzigen Zeitpunkt das Urteil des dänischen Gerichts akzeptiert".

Österreichische Behörden gegen "übertriebene Eile"

Auch die österreichischen Behörden wollen vorerst keinen Druck machen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Hansjörg Bacher, sagte am Donnerstag: "Offiziell wissen wir nichts vom Aufenthaltsort des Mannes und des Buben. Wir kennen auch nur die Medienberichte." Es gehe vor allem darum, Ruhe in die Sache zu bringen, aber auch zu wissen, dass es dem Kind gut gehe. "Alles Weitere wird auf dem Behördenwege abgewickelt. Druck zu machen wäre falsch, aber der Haftbefehl ist notwendig gewesen", so Bacher.

Man gehe davon aus, dass nach wie vor Fluchtgefahr bestehe, solange der Mann unbekannten Aufenthalts sei, so der Sprecher. "Er hat es in der Hand, sich zu stellen und Kontakt aufzunehmen, der erste Schritt müsste von ihm kommen." Im Moment sei jedenfalls keine übertriebene Eile geboten, sagte Bacher. Man warte, was die Kontaktaufnahme zu den dänischen Behörden ergebe.

Dänische Sozialministerin verlangt Darstellung

Die Wiener Anwältin der Grazer Mutter des Fünfjährigen, Britta Schönhart, erklärte: "In der Situation gibt es keine wesentliche Veränderung, der Antrag auf Rückführung des Buben nach Österreich wird so schnell wie möglich beim Justizministerium eingebracht, am kommenden Dienstag, da der morgige Karfreitag Gerichtsfeiertag ist." Man hoffe, dass die österreichischen Behörden ebenso Druck wie die dänischen machen werden, so Schönhart.

Unterdessen ist auch die dänische Sozialministerin Karen Haekkerup aktiv geworden. Sie verlangt von der Familienrechtsbehörde, die in den vergangenen Jahren involviert war, eine Darstellung des Falls. Zur konkreten Causa wollte sie sich vorerst nicht äußern. Sie ließ gegenüber Ritzau aber durchblicken, dass die dänische Rechtssprechung Priorität habe: "Wie wir es auch drehen und wenden: Alles hängt davon ab, dass die Entscheidungen in Dänemark auch im Ausland anerkannt werden." (APA, 5.4.2012)