Bild nicht mehr verfügbar.

Für das österliche Mahl muss auch heuer ein Lamm geopfert werden.

Foto: APA/Patrick Pleul

In Syrien spielt sich eine Tragödie ab, die dem gemeinen zentraleuropäischen Nachrichtenkonsumenten wohl entsetzlich, aber auch sehr weit weg erscheinen muss. Dass es kaum Bilder oder Filmmaterial gibt, die Zeugnis vom Freiheitskampf der Bevölkerung geben könnten, macht es nicht leichter. Ohne Anknüpfungspunkte tut die Seele sich schwer, Anteil zu nehmen. Was es aber gibt, ist die hochgerühmte syrische Küche. Und die kann sehr gewandt Zeugnis ablegen von der Tiefe der Kultur, von der Gastfreundschaft, dem Raffinement und der Geselligkeit, die diese so geschundene Gesellschaft im Wesen prägt.

Manch einem mag es zynisch erscheinen, angesichts der blutigen Unterdrückung ausgerechnet die Küche der Region zu thematisieren. Anderseits ist der Gaumen immer noch einer der unmittelbarsten Mittler, um eine Botschaft ans Gehirn zu senden - und an die Seele sowieso. Wer sich mit dem Essen beschäftigt, das die Menschen dort schätzen, wer sich selbst die Mühe und die Freude antut, es nachzukochen - der setzt sich unwillkürlich auch mit ihrem Schicksal auseinander. 

Lamm opfern

Für das österliche Mahl muss auch heuer ein Lamm geopfert werden. Die mythische Bedeutung, die dem Tier wie der Speise in allen drei Weltreligionen und ganz speziell in der Krisenregion zuteilwird, macht die Wahl einfach.

Im Norden Syriens blühen dieser Tage zigtausende Weichselbäume. Ihre Früchte sind, frisch oder getrocknet, ein wesentlicher Bestandteil von Kebab b'il Karaz, einem klassischen Gericht der Küche von Aleppo. In der großen, für das Raffinement ihrer Küche gerühmten Stadt mit dem legendären Basar werden die eingeweichten und eingekochten, sauer-süßen Früchte traditionell mit faschiertem Lamm serviert, das mit Petersilie und allerhand Gewürzen zu Bällchen geformt und gebraten wird. In Dreiecke geschnittenes, flaches arabisches Brot dient als Unterlage, Pinienkerne und Zweige von jungem Petersil als Garnitur. Die Balance aus sauer, süß, fruchtig und fleischig wird von Kennern wie dem syrisch-australischen Koch Greg Malouf als die "himmlische Kombination" schlechthin gepriesen, allerdings scheint das ideale Verhältnis stark vom Säuregrad der Weichseln abzuhängen - im Zweifel sind sie zu wenig sauer, worauf mit Zitronensäure (nicht so sympathisch) oder Granatapfelsirup nachgeholfen wird.

Aber schön der Reihe nach

Ein halbes Kilo getrockneter - nicht kandierter - Sauerkirschen (gibt es am Naschmarkt oder im Reformladen) gut spülen und über Nacht in Wasser einweichen. Tags darauf entkernen und zurück ins Einweich-Wasser geben. Den Saft einer halben Zitrone und einen Esslöffel Granatapfel-Molasse (auch aus dem Orient-Shop) zugeben. Aufkochen und mit Zitronensaft oder Zucker nachwürzen, um die richtige Balance aus süß und sauer abzustimmen: Es soll deutlich sauer, aber auch ziemlich süß sein. Rund 15 Minuten kochen, bis die Flüssigkeit etwas eingedickt ist.

Währenddessen 600 Gramm faschierte Lammkeule mit Salz, Pfeffer und einem Esslöffel Bharat vermengen. Bharat ist eine klassische syrische Mischung fein gemahlener Gewürze, die auch selbst hergestellt werden kann: je einen Teelöffel schwarzen Pfeffer, Paprika und Kreuzkümmel und je einen halben Teelöffel Koriander, Kassiarinde, Nelken und Muskatnuss sowie einen Viertel Teelöffel Kardamom gründlich vermengen.

Die Masse zu murmelgroßen Bällchen rollen, in Butter anbraten. Dann die Weichselsauce zugeben und weitere 15 Minuten köcheln lassen, sodass das Fleisch die tiefviolette Farbe der Weichseln annimmt. Zwei Fladenbrote (Lavash) in Dreiecke von ca. 8 cm Schenkellänge schneiden und eine Servierplatte damit auslegen. Fleisch und Weichseln im Zentrum anrichten, mit der nun dickflüssigen Sauce begießen und mit einer Handvoll zart angerösteter Pinienkerne und einigen Zweiglein jungen Petersils garnieren. In Syrien wird das Gericht gern mit den Fingern gegessen, dazu nimmt man etwas Fleisch und Sauce zwischen ein Brot-Dreieck. Frohe Ostern und bil-hanaa wa ash-shifa'a! Genießen Sie das Mahl in Freude und Gesundheit! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 06.04.2012)