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Die Hälfte aller Hunde über zehn Jahren stirbt an Krebs.

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Die Trennlinien zwischen Mensch und Tier, wie Sprache und Kultur, sind längst nicht mehr eindeutig. Tiere werden immer weniger als Objekte gesehen, mit denen man machen könne, was man wolle. Anzeichen für einen " Wandel in der Mensch-Tier-Beziehung", wie der Tierethiker Herwig Grimm sagt. Er und seine Forschungsgruppe beschäftigen sich mit der "Ethik der Mensch-Tier-Beziehung", einer der drei Schwerpunkte des Messerli-Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, das vergangene Woche eröffnete.

"Die Moralfähigkeit scheint unser letztes aufrechtes Unterscheidungskriterium, aber Versuche der Kognitionsbiologen weisen etwa auf einen Gerechtigkeitssinn bei Tieren hin", sagt Grimm, der die Verwandtschaft von Mensch und Tier ergründet. Für die entsprechenden naturwissenschaftlichen Befunde muss er nur an die Tür von Büronachbar Ludwig Huber, Leiter der Abteilung für Vergleichende Kognitionsforschung (der Standard berichtete), klopfen. Zudem arbeiten die Tierethiker an neuen Theorien, die die vieldiskutierte "Würde der Kreatur" oder gentechnisch veränderte Tiere zum Gegenstand haben.

Grimms Abteilung begleitet auch die Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein muss, und plant die Herausgabe eines Handbuchs für Wissenschafter, die Tierversuche durchführen. "Das ist wie bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung: Man soll die Verantwortlichen in ihrer Verantwortung unterstützen und nicht brandmarken", erklärt Grimm den Ansatz. Auch an einer "Berufsethik" für Amtstierärzte wird gefeilt. "Sie leiden unter dem Wertewandel", etwa bei Massenschlachtungen bei Tierseuchen oder beim Einschläfern von tierischen "Familienmitgliedern".

Mit dem tierischen Familienmitglied Nummer eins, dem Hund, befasst sich die Abteilung Komparative Medizin, die von Erika Jensen-Jarolim geleitet wird - die bis dahin einen Sitz im Universitätsrat der Vetmed innehatte. " Die Hälfte aller Hunde über zehn Jahre stirbt an Krebs", sagt die Medizinerin, die sich seit Jahren mit Allergien und Tumoren befasst.

Impfung gegen Krebs

"Die Diagnose ist meistens auch das Todesurteil, weil sich kaum ein Hundehalter die 3000 bis 6000 Euro leisten kann, die eine Behandlung kostet." Sie arbeitet in ihrer Abteilung daran, leistbare Therapien für Tiere zu entwickeln, darunter Impfungen gegen Krebs. Dazu baut sie auf kleine Proteine, die Bruchstücke eines Tumor-Antigens imitieren können und das Immunsystem dazu anregen, Immunglobuline zu ihrer Bekämpfung zu erzeugen.

Diese Immunglobuline unterbinden den Wachstumsprozess in Tumorzellen, und zwar beim Menschen ebenso wie beim Hund. "Wir sind verblüfft über die Ähnlichkeiten", betont Jensen-Jarolim. So stellte sich etwa heraus, dass das HER2-Antigen bei Mensch und Hund zu 92 Prozent identisch ist: Es ist am menschlichen Brust- ebenso wie am tierischen Milchleistenkrebs beteiligt.

Der Vorteil bei tierischen Patienten: Die Entwicklung von Medikamenten unterliegt nicht so strengen Vorschriften. "Die Komponenten müssen nicht so rein sein wie bei einer klinischen Studie am Menschen", sagt Jensen-Jarolim, "dadurch wird die Sache viel kostengünstiger. Dabei profitieren nicht nur die Tiere: Wir lernen auch viel für die Anwendung beim Menschen." Jensen-Jarolims Gruppe arbeitet derzeit als einzige weltweit an der Herstellung spezieller Antikörper für Hunde. Mit Erfolg: " Wir haben sie schon im Reagenzglas. Wir müssen sie nur noch in den für Therapien erforderlichen Mengen erzeugen." (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 4.4.2012)