Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner (li.), ehemalige Teilzeitkraft Okanovic: "Die einen haben immer mehr Überstunden, die anderen können von ihrem Job nicht leben - das passt nicht zusammen."

Foto: STANDARD/Newald

Wien - Hasiba Okanovic hat ihren jetzigen Arbeitsplatz selbst erfunden. Eigentlich hatte ihr Chef, Eigentümer einer Biotechfirma, sie als Teilzeitkraft gesehen und eingestellt. Doch sie hat ihn davon überzeugt, dass sie für ihn 40 Stunden pro Woche unentbehrlich ist.

Für diesen Erfolg hat die quirlige 42-Jährige einiges getan. In ihrem Herkunftsland Bosnien hat sie den Beruf der Textiltechnikerin gelernt, dann kam der Krieg. Sie flüchtete mit ihrer Familie nach Wien und lernte zunächst fleißig Deutsch - um festzustellen, dass sie als Textiltechnikerin nicht weiterkam. Sie lernte Webdesignerin in einem AMS-Kurs, absolvierte, dann schon berufsbegleitend, weitere Print-Grafik-Ausbildungen, und ließ sich zur Sales Managerin samt Know-how in Bilanzbuchhaltung ausbilden. Okanovic: "Ich habe jede mögliche Fortbildungsförderung genutzt."

Sie erinnert sich, dass sie "immer voll arbeiten" wollte - aber immer stand irgendwas im Wege: Erst fehlte die Arbeitserlaubnis, dann die notwendige Qualifi kation. Okanovic heute: "Der Schlüssel zur Vollzeit waren die zusätzlichen Ausbildungen."

44 Prozent in Teilzeit

Für Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SP) ist Okanovic das Paradebeispiel für ein weitverbreitetes Phänomen - nicht nur in Wien: "Während viele berufstätige Männer klagen, dass sie immer mehr Überstunden machen müssen, steigt die Quote der Teilzeit arbeitenden Frauen immer mehr an." Tatsächlich arbeiten 38,4 Prozent der berufstätigen Wienerinnen in Teilzeitjobs - bundesweit sind es sogar 44 Prozent.

Ähnlich ist es übrigens auch in Deutschland: Knapp jede zweite berufstätige Frau arbeitet dort in einer Teilzeitanstellung. Für die Feministin Alice Schwarzer, die seit den 1970er Jahren gegen die "Falle Teilzeitarbeit" anschreibt, sind die Gründe klar: Das liege am "deutschen Muttermythos" und an der Angst, als "Rabenmutter" abgestempelt zu werden, wenn frau voll arbeite.

"So einfach schwarz-weiß" sei die Welt nicht, meint dagegen Brauner. Aus Studien wisse man, dass ein Drittel der Teilzeitjobber dies freiwillig tue, ein Drittel dies als Übergang oder Einstieg in einen Beruf sehe - und ein weiteres Drittel gezwungenermaßen einen Teilzeitjob annehme, weil keine Wahl bestünde.

Auf die letzten beiden Zielgruppen ziele die Arbeitsmarktpolitik der Stadt ab, sagt Brauner: "Wir fördern die Fortbildung, mit dem Fokus, dass die Leute in Jobs kommen, von denen sie auch leben können."

Der Förderschwerpunkt der Stadt rankt sich um den "Weiterbildungs-Tausender", der für verschiedene Schulungsmodelle gewährt wird: Wer etwa nur die Pflichtschule gemacht hat und einen Lehrabschluss möchte, wer seine Matura, Berufsreifeprüfung, eine zusätzliche Lehre oder eine Nostrifikation nachholen will, bekommt 90 Prozent der Kurskosten, maximal 1000 Euro, bezahlt. Brauner hofft, so auch die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen in Wien heben zu können: "Wir müssen bewusst machen, dass Teilzeit lebenslang finanzielle Konsequenzen hat - vor allem, was die Pensionshöhe betrifft."

Familie versus Hobby

Freilich ist mittlerweile in einigen Branchen Teilzeit eher die Regel als die Ausnahme (siehe Geschichte unten). Und Qualifizierung allein reicht freilich nicht aus, um Frauen in Vollzeitjobs zu halten: Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts aus 2008 zu "Potenzialen für qualifizierte Teilzeitarbeit" entscheiden sich vor allem AHS-Maturantinnen und Absolventinnen berufsbildender mittlerer Schulen für diese Jobart (32 beziehungsweise 36 Prozent).

Laut dieser Studie ist die Nachfrage nach Teilzeit, auch bei Arbeitnehmern, eher im Steigen begriffen. Als Motive gaben Frauen übrigens "familiäre Gründe" an. Ganz im Gegensatz zum Gros der wenigen Männer, die Teilzeit arbeiten (8,9 Prozent). Diese nennen primär private Interessen (Freizeit, Hobbys, Bildung, Zweitjob) als Motiv, weniger Stunden zu arbeiten. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 4.4.2012)