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Mit einem Deckel auf dem Gruppenbesteuerungstopf will die Regierung sich von Konzernen etwas Geld für die Budgetkonsolidierung holen.

Foto: AP/Axel Heimken

Die Einschränkung des Verlustabzugs im Rahmen der Gruppenbesteuerung für international tätige Unternehmen ist weder gerechtfertigt noch sinnvoll. Das rückwirkende Inkrafttreten könnte auch verfassungswidrig sein.

 

Seit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Jahr 2001 können österreichische Unternehmen auch Verluste ausländischer Betriebsstätten von ihren inländischen Gewinnen abziehen: Entsteht im Inland ein Gewinn von 100, im Ausland aber ein Verlust von 100, beträgt der Gesamtgewinn des Unternehmens null. Folgerichtig fällt keine österreichische Körperschaftsteuer an.

Ein Unterschied zwischen Inlands- und Auslandsverlusten wurde allerdings berücksichtigt: Kann der Auslandsverlust später bei der ausländischen Besteuerung von Betriebsstätten-Gewinnen abgezogen werden, ist der bereits früher im Inland abgezogene Verlust in Österreich nachzuversteuern.

Anders als gelegentlich in der Sparpaketsdebatte behauptet wurde, ist der Abzug von Auslandsverlusten somit keine "Starthilfe" für Auslandsinvestitionen, die von vornherein nur begrenzt gewährt wird. Vielmehr kommt es zur Nachversteuerung nur bei Doppelverwertung der Verluste: kein Abzug von der österreichischen Bemessungsgrundlage und im Rahmen der ausländischen Besteuerung der Betriebsstätte. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Auslandsbetriebsstätten, sondern im Rahmen der Gruppenbesteuerung auch für ausländische Tochtergesellschaften.

Bisher wurden die Auslandsverluste nach österreichischem Steuerrecht berechnet. Nach ausländischem Recht ist der Verlust aber häufig niedriger. Gelegentlich kommt es im Ausland sogar zu einem Gewinn, obwohl nach österreichischem Steuerrecht ein Verlust vorliegt. Denn: Manchmal statuiert das ausländische Steuerrecht längere Abschreibungsperioden, weiter gehende Beschränkungen gegen Rückstellungen oder fordert die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Wirtschaftsgüter wie z. B. von Erfindungs- und Forschungsergebnissen. Bauleistungen sind oft nach der Percentage-of-Completion-Methode zu bewerten. Und manche Staaten besteuern das IFRS-Ergebnis, das tendenziell höher ist als der nach dem Unternehmensgesetzbuch oder dem Einkommensteuergesetz ermittelte Gewinn. Allerdings: Soweit im Ausland kein Verlust vorliegt, kann es nie zur Nachversteuerung kommen. Dann ist der Verlustabzug im Inland definitiv. Das sorgte für Irritationen im Finanzministerium. Das vergangene Woche vom Nationalrat verabschiedete Stabiliätsgesetz führt nun eine zweite " Deckelung" ein: Ist der nach ausländischem Steuerrecht ermittelte Verlust niedriger, kann nur dieser niedrigere Betrag abgezogen werden.

"Starthilfe" führt in die Irre

Doch hier hat die verfehlte Vorstellung von der "Starthilfe" in die Irre geleitet: Es geht nicht darum, den Verlustabzug stets nur vorläufig zuzulassen, sodass er irgendwann auf jeden Fall nachzuversteuern ist. Vielmehr belasten Auslandsverluste das österreichische Unternehmen in gleicher Weise wie Inlandsverluste. Gerade das erfordert die Ermittlung auch der Auslandsverluste nach inländischem Recht. Steuersystematisch ist die Neuregelung eine ungerechtfertigte Einschränkung der europaweit vielbeachteten Gruppenbesteuerung.

Zusätzlich bewirkt die Inkrafttretensregelung eine verfassungswidrige Rückwirkung. Die Neuregelung soll nämlich bereits für die gesamte Veranlagung 2012, somit ab dem 1. 1. 2012 gelten, obwohl das Bundesgesetzblatt erst Anfang April erschienen ist. Die Rückwirkung reicht jedoch noch weiter, wenn die Gruppenmitglieder nicht zum 31. 12. bilanzieren. Endet das Wirtschaftsjahr etwa am 31. 1., fallen zusätzlich sämtliche Auslandsverluste aus der Zeit vom 1. 2011 bis 31. 2012 in die Veranlagung 2012 und werden daher bereits von der Neuregelung getroffen. Dann liegt eine Rückwirkung von 14 Monaten vor. Solche Inkrafttretensregelungen hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals wegen Verletzung des Gleichheitssatzes aufgehoben. (Hanns F. Hügel, DER STANDARD, 4.4.2012)