Bild nicht mehr verfügbar.

Nach längeren Renovierungsarbeiten seit Anfang März wieder öffentlich zugänglich: die Thermae Stabianae in Pompeji.

Foto: REUTERS/Ciro De Luca

Die Europäische Kommission hat vergangene Woche die versprochenen Finanzmitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) für die Sanierung von Pompeji genehmigt. Für die Rettung der Ausgrabungsstätte, Unesco-Weltkulturerbe, werden 105 Millionen Euro bereitgestellt, 42 Millionen Euro kommen aus dem EU-Fonds, 63 Millionen aus der Staatskasse Italiens. Doch ist damit nur die erste Hürde genommen. Um die Auferstehung der "Toten Stadt" am Vesuv zu erleben, wird man sich wohl noch etwas gedulden müssen.

Als die Nachricht aus Brüssel kam, jubelte ganz Italien. So sehr, dass die meisten Medien vergaßen, deutlich zu machen, dass es sich um Gelder aus dem Entwicklungsfonds und aus dem nationalen Haushalt handelt. Die Schlagzeilen sprachen von 105 Millionen EU-Mitteln. Das zeugt von einer gewissen Oberflächlichkeit und Ungenauigkeit im Umgang mit Zahlen. Es ist just diese, die einen Schatten auf Italiens Fähigkeit wirft, Gelder vernünftig zu verwalten und nicht im Sumpf der Korruption verschwinden zu lassen. Ein Manko, das EU-Kommissar Johannes Hahn offenkundig bekannt ist, sprach er doch von einer kontinuierlichen Kontrolle seitens der EU über den Einsatz der genehmigten Mittel.

Scheinbar traut aber auch das Land seinen eigenen Organen nicht über den Weg, etwa dem örtlichen Denkmalpflegeamt. Denn die frohe Botschaft begleitete eine weniger freudige Nachricht. Mit den Geldern kommt ein Polizeichef nach Pompeji. Seine Ernennung erfolgt am 5. April, an dem die ersten fünf Großaufträge der Rettungsaktion freigegeben werden.

Organisierte Kriminalität

Zum feierlichen Akt treffen denn auch gleich drei Minister ein. Denn zu den Verantwortlichen von Kultur und Regionalen Angelegenheiten, Lorenzo Ornaghi und Fabrizio Barca, gesellt sich die Ministerin für Inneres, Anna Maria Cancellieri, stellt doch ihr Ministerium den Polizeichef Fernando Guida. Letzterem oblag bisher die Auflösung von Stadtverwaltungen, die der rechtswidrigen Absprache mit der organisierten Kriminalität verdächtigt werden. Guida ist also der richtige Mann am richtigen Ort. Denn genau davor hat der Staat Angst, dass nämlich die Mafia versuchen könnte, sich die dicksten Brocken aus der Ausschreibungstorte der öffentlichen Aufträge rauszupicken.

Also alles in Ordnung? Nicht unbedingt. Denn wer nur am Rande eingeschaltet wurde, ist die Denkmalpflege, eben weil sie in der Vergangenheit gerne ein Auge zugedrückt haben soll. Mit der Kontrolle durch einen Polizeichef wäscht der Kulturminister, seinem Spitznamen Professor Pilatus alle Ehre machend, seine Hände in Unschuld; nun ist das Innenministerium verantwortlich. Beim nächsten Einsturz in Pompeji kann wenigstens an seinem Stuhl nicht gerüttelt werden, kostete das bröckelnde Pompeji doch Ex-Minister Sandro Bondi den Posten.

Aber wäre es nicht sinnvoller gewesen, im Kulturamt aufzuräumen? Und vor Pompeji erstmal die Denkmalpflege zu sanieren, statt einen Polizeichef den Rettungsplan überwachen zu lassen? Spätestens nach der "Notaufnahme" und den Erste-Hilfe-Maßnahmen dürfte ihm mangelnde fachliche Kompetenz vorgeworfen werden. Die ist aber vonnöten, denn zu den lebenswichtigen Eingriffen gehören nicht nur Stützbalken und Entwässerungssystem, sondern systematische Bestandssicherung, Konservierung und Verbesserung der Ausbildung des Personals, das seinerseits wiederum der Denkmalpflege untersteht. Der Kontrollmechanismus, in dem das Kulturministerium sich beeilt hat, die Gewichtigkeit der Rolle des Polizeichefs herunterzuspielen, wird vielleicht Recht und Ordnung gewährleisten, doch kann er keinen Riegel vor mögliche neue Regenfälle schieben.

17 Monate sind seit dem Einsturz des Hauses der Gladiatoren verstrichen. Es bröckelte weiter. Nichts geschah. Wie viel Zeit bleibt Pompeji? Zum Glück hat Bürgermeister Claudio D'Alessio eine Lösung parat: Vor der Weltkulturerbestätte soll ein modernes Unterhaltungszentrum mit täuschend echten Mauern gebaut werden, die den Vorteil haben, nicht einzustürzen. An den Kosten (15 Millionen Euro) wollen sich auch private Unternehmen gern beteiligen. Vermutlich entsteht das falsche Pompeji, bevor das echte aufersteht. (Eva Clausen aus Rom, DER STANDARD, 4.4.2012)