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Ende mit Schrecken: Präsident Pal Schmitt tritt doch zurück, Premier Viktor Orban bleibt noch.

Foto: AP/Beliczay

Pál Schmitt verkündete am Montag seinen Rücktritt als ungarischer Staatspräsident. Ihm war vergangene Woche der Doktortitel aberkannt worden. Er hatte seine Dissertation zu einem großen Teil abgeschrieben.

 

Der Montag begann nicht gut für den stark bedrängten ungarischen Staatspräsidenten Pál Schmitt. Der rechtspopulistische Ministerpräsident Viktor Orbán war in der am frühen Vormittag einberufenen Fraktionssitzung der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) von seiner Losung "Der Staatspräsident ist unantastbar" abgerückt. Die neue Parole aus dem Munde des Regierungschefs lautete: "Wenn Pál Schmitt für seine Wahrheit kämpfen will, dann hat niemand das Recht, ihn daran zu hindern."

Und kämpfen wollte er. Fast eine Woche nachdem eine Expertenkommission der Budapester Semmelweis-Universität die schweren Plagiatsvorwürfe gegen ihn erhärtet hatte und vier Tage nachdem ihm dieselbe Universität den Doktortitel aus dem Jahr 1992 entzogen hatte, trat der ehemalige Olympiasieger im Mannschaftsfechten tatsächlich sein letztes Gefecht an: Im Plenum des Parlaments wollte er noch einmal alles erklären. Noch einmal schob er, wie schon in dem Fernsehinterview am Freitag, jede Schuld an Plagiatstatbeständen auf seine Doktorväter und auf die Prüfkommission ab, die eventuelle Mängel nicht entdeckt und ihn nicht darauf aufmerksam gemacht hätten. Doch diesmal schloss er mit einem anderen Ende: "Das Staatsoberhaupt verkörpert die Einheit der Nation. In der gegenwärtigen Situation fühle ich mich deshalb verpflichtet, das Mandat des Präsidenten zurückzugeben." Ein Aufatmen ging durch den Saal.

Schmitt wähnte sich als Sportsmann, der bis zum letzten Atemzug kämpft, verkannte aber, dass die Verteidigung seines akademischen Fehlverhaltens von 1992 ihn unwürdig erschienen ließ, nicht nur im Lager der ohnehin zerrütteten Opposition, sondern auch im Fidesz und dessen Anhängerschaft. Fast alle Fidesz-Medien und das akademische Umfeld der Partei rückten im Laufe der vergangenen Woche von ihm ab, nachdem eine Expertenkommission der Budapester Semmelweis-Universität zunächst die Plagiatsvorwürfe in vollem Umfang bestätigt hatte (die Schuld da aber noch auf die damalige Universität abschob) und nachdem am Donnerstag der Senat der selben Universität Schmitt den Doktortitel aberkannt hatte.

Nicht mehr steuerbar

Orbán wollte zunächst an Schmitt festhalten, musste sich aber am Ende der Dynamik beugen. Dabei war er es, der Schmitt im Sommer 2010 schon damals gegen Widerstände in Teilen des Fidesz ins höchste Staatsamt gehievt hatte. Der Fidesz-Mitbegründer und heutige Parlamentspräsident László Kövér - ironischerweise Schmitts kommissarischer Nachfolger bis zur Wahl eines Nachfolgers - hatte Schmitt damals als einen "Paprika-Jancsi" bezeichnet - die ungarische Entsprechung zum Wiener Kasperl.

Schon damals kritisierten viele konservativ gesonnene Ungarn Schmitt. Der Ex-Sportler hatte nämlich bereits im Kommunismus eine glänzende Karriere als Sportfunktionär gemacht, es bis zum Vizeminister unter János Kádár und Mitglied des Internationalen Olympischen Exekutivkomitees gebracht. Als Ungarn 1984 die olympischen Spiele in Los Angeles aus "Solidarität" mit der Sowjetunion boykottierte, konnte sich Schmitt als Mitglied des damaligen Ungarischen Olympischen Komitees durch eine plötzliche Dienstreise nach Sofia vor der entscheidenden Sitzung drücken. Doch ein Wort gegen den Beschluss erhob er nie.

Nach der Wende diente er praktisch jeder Regierung, unabhängig von der Couleur, mal als Botschafter, mal als Sportfunktionär. Vor den Spielen 2004 in Athen erklärte er, er werde als Olympia-Funktionär zurücktreten, wenn sich nur ein einziger ungarischer Athlet eines Dopingvergehens schuldig machen würde. Als dann gleich fünf ungarische Sportler wegen Dopings aufflogen, konnte sich Schmitt freilich daran nicht mehr erinnern.   (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 3.4.2012)