Bild nicht mehr verfügbar.

Der türkische Zentralbankchef will die Bürger und Bürgerinnen davon überzeugen, dass ihre Schätze auch bei den Banken gut aufgehoben sind.

Foto: Reuters/JAREKJI

Gold vermittelt vielen Menschen ein gutes Gefühl. Und das nicht erst seit der letzten Finanzkrise. Das Edelmetall ist seit jeher auch ein Stoff, aus dem die Völker der Erde ihre Mythen weben. Schon vor Jahrtausenden wurden Schmuck, Tempelgeräte und andere rituelle Gegenstände aus Gold gefertigt. Doch auch der materielle Wert wurde schon von den Altvorderen geschätzt: Bei den Griechen und Römern diente Gold materiellen, weltlichen Zwecken und war zum reinen Zahlungsmittel und zum Symbol für Reichtum und Macht geworden.

Derzeit ist Gold aus gutem Grund wieder einmal besonders gefragt. Nicht nur in westeuropäischen Gefilden. Auch die Türken horten immer größere Mengen Edelmetall, berichtete jüngst das "Wall Street Journal". Gold beruhigt auch hier das Sicherheitsbedürfnis der Sparer und schützt vor Inflation. Derzeit liegt die Teuerungsrate in der Türkei immerhin bei rund zehn Prozent. Aber auch aus heftigen Währungsschwankungen und einer Bankenkrise im Jahr 2001 haben die Türken vor allem die Lehre gezogen, ihr Vertrauen nicht unbedingt den Banken zu schenken. Gold kaufen und daheim lagern, lautete ganz offenbar der Schluss, den viele Bürger und Bürgerinnen zogen: Die Türkei tat sich 2011 als viertgrößter Goldkäufer der Welt hervor. Die Einfuhr verdoppelte sich von 2010 auf 2011. Die Goldbörse in Istanbul ist nach Transaktionsgröße die zweitgrößte der Welt.

Volkswirtschaftliches Problem

Volkswirtschaftlich wird der Goldrausch der Türken aber mittlerweile zum Problem, heißt es in dem Bericht. Denn das Geld, das quasi im Gold liegt, fehlt im Wirtschaftskreislauf. Rund 5.000 Tonnen im Wert von 290 Milliarden Dollar liegen laut Schätzung der türkischen Goldraffinerie Istanbul Altin Rafinerisi (IAR) in diversen Depots daheim. Fachleute der Deniz Bank schätzen den privaten Goldschatz auf rund 300 Milliarden Dollar. Das wären fast 40 Prozent des türkischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Liebe zum Edelmetall belastet aber auch die türkische Leistungsbilanz. Die Goldförderung im Land hat sich zwischen 2005 und 2011 zwar von fünf auf 24,4 Tonnen verfünffacht. Das meiste Gold muss dennoch importiert werden. Auch deswegen erreichte das Leistungsbilanzdefizit im vergangenen Jahr zehn Prozent des BIPs.

Andererseits liegt die Sparquote in der Türkei laut Internationalem Währungsfonds vergleichsweise niedrig. Das senkt die Liquidität der türkischen Banken. Die Kreditinstitute sind deshalb in hohem Maß auf Zuflüsse ausländischen Kapitals angewiesen - das aber jederzeit wieder abgezogen werden könnte.

Zentralbank will Schatz heben

Der türkische Zentralbankchef Erdem Basci will nun laut "Wall Street Journal" den Schatz heben und das "tote Kapital" wieder dem Wirtschaftskreislauf zuführen. Aus Gold soll wieder Geld werden. "Es muss unter der Matratze hervorgeholt werden", sagt Basci. Sein Plan: Die Türken sollen ihr Gold im Tausch für ein Zertifikat zur Bank bringen, das Gold soll auf einer Art Goldkonto landen und damit auch Zinsen bringen. Die Banken würden ihre Einlagen erhöhen und könnten damit mehr Kredite vergeben und unabhängiger von ausländischem Risikokapital werden. Dass sich die türkischen Bürger und Bürgerinnen ihr gutes Gefühl so leicht "abkaufen" lassen, wird allerdings von manchen Ökonomen bezweifelt. (rb, derStandard.at, 2.4.2012)