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Veganer ernähren sich rein pflanzlich, verzichten daher auf Produkte wie Milch, Käse, Eier und Honig.

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Vegetarier ernähren sich oft ausgewogener, da ihnen bewusst ist, dass ihnen durch den Fleischverzicht wichtige Nährstoffe fehlen.

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Insgesamt ernähren sich in Österreich 2,7 Prozent vegetarisch - 3,9 Prozent der Frauen und 1,4 Prozent der Männer.

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Der Appetit auf tierische Produkte kann einem schon vergehen: Der Gedanke an nicht artgerechte Massentierhaltung, Antibiotikaeinsatz und qualitativ minderwertige Produkte, Stichwort Gammelfleisch, verdirbt so manchem den Gusto auf Essen. Immer mehr Menschen steigen auf eine vegetarische Ernährungsweise um - gesamt gesehen sind "die Fleischlosen" jedoch nach wie vor eine Minderheit. Die meisten Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, tun dies aus ethischen und moralischen Gründen.

Laut Daten der Statistik Austria leben in Österreich 3,9 Prozent der Frauen und 1,4 Prozent der Männer vegetarisch (inklusive pesco-vegetarischer Ernährungsweise, bei der Fisch konsumiert wird). Jeweils 0,2 Prozent der Frauen und Männer leben vegan, verzichten also auf jegliche Produkte tierischer Herkunft wie Milch, Käse, Eier und Honig.

Während Vegetarier nur mehr selten schiefe Blicke ernten und gerade im urbanen Bereich alles andere als eine Seltenheit sind, ist das bei Veganern häufiger der Fall. Um der Moralkeule zuvorzukommen, geht mancher Fleischesser oft gleich in die Offensive: Ungesund sei die vegane Lebensform, blass sehe das Gegenüber schon aus. Es fehle an Vitaminen, Nährstoffen und sowieso fast allem. Aber ist das wirklich so? Leiden Veganer häufig an Mangelerscheinungen?

Vegetarisch, ausgewogen

In einem Punkt sind sich Ernährungsgesellschaften weltweit einig: Eine ausgewogene vegetarische Ernährungsweise bietet durchaus Vorteile für die Gesundheit. Studien zeigen gesundheitsfördernde Wirkungen auf das Gewicht, den Blutdruck, die Blutgefäße, den Cholesterinspiegel und bestimmte Krebsarten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkte und Schlaganfälle, sind in den Industriestaaten die Todesursache Nummer eins und zumeist auf eine Gefäßverkalkung, Atherosklerose genannt, zurückzuführen.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung oder Vermeidung einer Atherosklerose haben die Ernährungsgewohnheiten, vor allem die Cholesterinwerte: Während das gute HDL-Cholesterin (high-density lipoproteins, Liproproteine hoher Dichte) die Gefäßwände schützt, ist beim LDL-Cholesterin (low-density lipoproteins, Liproproteine niedriger Dichte), das zur Bildung von atherosklerotischem Plaque beiträgt, das Gegenteil der Fall. LDL-Cholesterin wird vor allem über gesättigte Fettsäuren aufgenommen, die in Fleisch, Wurstwaren und auch in Vollmilchprodukten vermehrt vorkommen.

Vegetarier haben gegenüber Mischköstlern eine geringere Aufnahme von Cholesterin und gesättigten Fettsäuren. Sie ernähren sich oft ausgewogener, da ihnen bewusst ist, dass ihnen durch den Fleischverzicht wichtige Nährstoffe fehlen. Das Weglassen von Fleisch bringt für viele einen Zugewinn an kulinarischen Möglichkeiten durch die Einbeziehung bisher nicht oder nur selten verwendeter Lebensmittel. Hinzu kommt, dass Vegetarier oft generell einen gesünderen Lebensstil pflegen, Sport treiben und nicht rauchen. All diese Faktoren addieren sich, denn: Bewegung senkt ebenfalls das schlechte Cholesterin, Nikotin dagegen verstärkt die gefäßverändernde Wirkung des LDL-Cholesterins.

Eine Ausnahme bilden die "Pudding-Vegetarier", die sich zwar fleischlos ernähren, aber ansonsten nicht besonders auf ihre Ernährung achten und häufig zu Fertigprodukten und Süßigkeiten greifen.

Auf Eisenzufuhr achten

Aufpassen sollten Vegetarier auf die Eisenwerte, die oft im unteren Normbereich liegen, da der Haupteisenlieferant Fleisch fehlt. Mischköstler haben zwar etwas höhere Eisenspeicher als Vegetarier, eine Eisenmangelanämie kommt aber bei beiden Ernährungsformen gleich oft vor. Die Eisenaufnahme kann verbessert werden, indem zu eisenreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Bohnen, Linsen, Nüssen und Blattgemüse immer ein Vitamin-C-reiches Lebensmittel, etwa Orangensaft, verzehrt wird. Milch und Eier hemmen hingegen die Aufnahme.

Als Konsens der Ernährungswissenschaftler gilt: Wenn die Nährstoffe aus dem Fleisch durch den Konsum anderer Lebensmittel kompensiert werden, stellt die ovo-lacto-vegetarische Ernährungsweise inklusive Eiern und Milch eine empfehlenswerte Alternative dar und ist als Dauerkost geeignet.

Vorsicht in der Schwangerschaft und Kindheit

Die Einigkeit der Ernährungsgesellschaften in puncto ausgewogener vegetarischer Ernährung endet bei den Empfehlungen hinsichtlich einer veganen Ernährungsweise. Die Amerikanische Gesellschaft der Ernährungswissenschaftler sowie der Verband der kanadischen Ernährungswissenschaftler empfehlen neben der vegetarischen auch die vegane Ernährung im Rahmen einer vernünftig geplanten Kostform. Das treffe ebenso auf die vegane Ernährungsweise während Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit zu, wenn sie gegebenenfalls durch angereicherte Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmittel bereichert wird. "Für Erwachsene ist eine vegane Ernährungsweise kein Problem, solange auf eine ausgewogene Zusammenstellung der Nahrungsmittel geachtet wird", sagt Alexandra Hofer, Ernährungswissenschaftlerin und Geschäftsführerin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). "Veganismus ist eine Lebenseinstellung und Philosophie, die auch viele Vorteile hat."

Die ÖGE und ihre deutsche Schwesterngesellschaft halten eine rein vegane Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter hingegen für nicht geeignet, um eine adäquate Nährstoffversorgung und die Gesundheit des Kindes sicherzustellen. Eine ausreichende Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft sei bei einer rein veganen Ernährung auch bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl nicht möglich. "Diese Ernährungsform birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken - etwa für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems. Eine fachärztliche Beratung und die Einnahme von Mikronährstoffsupplementen ist bei veganer Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit dringend empfehlenswert", sagt Hofer, die den Expertengruppen zur Erstellung der Österreichischen Beikostempfehlungen und der Ernährungspyramide für Schwangere angehörte.

Eine rein vegane Ernährung kann in diesen Lebensabschnitten zu Engpässen in der Proteinversorgung, bei langkettigen n-3-Fettsäuren, den Vitaminen B2, B12, A und D, Zink, Kalzium sowie Jod führen und zu damit verbundenen zu Entwicklungs- und Wachstumsstörungen. Eine ovo-lacto-vegetabile Kost kann hingegen, wenn auf eine sorgfältige Auswahl der Nahrungsmittel geachtet wird, während der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Kindesalter eine ausreichende Nährstoffversorgung gewährleisten.

Mangelhafte Nährstoffe bei Veganern

Wer sich rein pflanzlich ernährt, muss darauf achten, bestimmte Nährstoffe in ausreichender Menge aufzunehmen. Entscheidend ist aber nicht nur die konsumierte Menge, sondern auch deren Verwertbarkeit für den menschlichen Körper, die stark variieren kann. So haben etwa Proteine aus tierischen Nahrungsmitteln eine höhere biologische Wertigkeit, weil sie besser in körpereigenes Protein umgewandelt werden können als das aus pflanzlichen Produkten. Für eine angemessene Proteinaufnahme ist es daher sinnvoll, verschiedene pflanzliche Eiweißträger wie Hülsenfrüchte, Soja und Tofu, Getreide, Erdäpfel, Nüsse und Samen zu kombinieren.

Kalzium

Auch Kalzium aus tierischen Lebensmitteln, etwa Milch, wird vom Körper besser verwertet als solches aus pflanzlichen. Veganer sollten daher auf eine ausreichende Zufuhr achten, um einem Kalziummangel vorzubeugen. Die Zufuhrempfehlungen für Erwachsene schwanken jedoch stark: Je nach Gesundheitsbehörde werden zwischen 450 und 1.000 Milligramm täglich empfohlen - die ÖGE rät zu 1.000 Milligramm. Gute pflanzliche Kalziumquellen sind Brokkoli, Grünkohl, Fenchel, Mandeln, Haselnüsse, Sesam, Mohn, Mineralwasser und Sojamilch.

Vitamin B12

Zu den Risikonährstoffen bei veganer Ernährung zählt auch das Vitamin B12, das fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Ovo-lacto-Vegetarier, die Milch und Eier konsumieren, haben mit der B12-Versorgung meist kein Problem. Veganer müssen in dieser Hinsicht aufpassen: Ein Mangel tritt erst nach einigen Jahren auf und bewirkt eine Störung in der Blutbildung und der Zellteilung.

Vitamine D, B2 und Jod

Auch die Versorgung mit den Vitaminen D und B2 sowie Jod sollte im Blick behalten werden. Vitamin D kann bei ausreichender Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet werden und über fettreichen Fisch, Eigelb oder Milchprodukte zugeführt werden. Vitamin B2 ist vor allem in tierischen Produkten wie Fleisch, Milch und Eiern enthalten, aber auch in Spinat, Erbsen, Brokkoli, Weizenkeimen, Vollkornmehl, Samen und Nüssen. Als Jodmangelprophylaxe könnte die Verwendung von jodiertem Speisesalz dienen.

Eine Ernährungsweise ohne Fleisch sowie eine Abkehr von jeglichen tierischen Produkten ist bei einer ausgewogenen Ernährung kein Problem. Gerade Veganer sollten aber regelmäßig ihr Blut untersuchen lassen, um eventuelle Mangelerscheinungen früh zu erkennen. Zudem wird während Lebensphasen wie der Schwangerschaft, der Stillzeit sowie der Kindheit von einer rein pflanzlichen Ernährung abgeraten, andernfalls sollte mit einem Arzt Rücksprache gehalten werden.

Vegetarier und Veganer steuern daher aufgrund ihres Fleischverzichts nicht wie vielfach angenommen einer unabwendbaren Mangelernährung entgegen, noch werden ihre rosa Backen verblassen. Vorausgesetzt, sie zählen sich selbst nicht zu den Pudding-Vegetariern. (Ursula Schersch, derStandard.at, 26.4.2012)