Kaum war der "Tatort"-Brief am Wochenende online, hagelte es umgehend Proteste aus der "Netzgemeinde" ("indiskutables Pamphlet", "Schmähschrift" ...). Hier einige Passagen aus einer vergleichsweise moderaten Replik von 51 Mitarbeitern des Hacker-Forums Chaos Computer Club (CCC):

Liebe "Tatort"-Autoren! Das Tragische (im griechischen Sinne) ist doch, dass wir beide Opfer des Verwertungssystems sind. Ihr schuftet Euch seit Jahren für die Verwertungsindustrie ab und habt so viele Eurer Rechte weggegeben, dass weder Ihr noch Eure Nachfahren von der verlängerten Urheberrechtsschutzfrist etwas haben. Das ist bloß ein Verhandlungsmittel, mit dem Ihr zu reduzieren hofft, wie doll Euch die Verwertungsindustrie abzockt.

Wir kämpfen eigentlich auf derselben Seite, aber Ihr merkt es nicht einmal.

Bei uns ist das ganz ähnlich. Viel Software wird inzwischen gar nicht mehr für Profit geschrieben, sondern frei ins Netz gestellt oder als Selbstvermarkter-Shareware, weil den Autoren klar ist, dass sie nie einen müden Cent sehen werden für ihr Werk. Für Software gibt es keine Verwertungsgesellschaften, mangels historischen Präzedenzfalls. Wenn Ihr Euch mal umschaut, werdet Ihr sehen, dass auch kein einziger von uns Software-Autoren eine GEMA für Software fordert. Wir nehmen Euch nichts weg, das wir für uns fordern. Wir haben uns nur von der Idee verabschiedet, dass dieses Modell in zehn Jahren noch existieren wird.

Sir Arthur Conan Doyle schrieb dazu: "Wenn jeder Autor, der ein Honorar für eine Geschichte erhält, die ihre Entstehung Poe verdankt, den Zehnten für ein Monument des Meisters abgeben müsste, dann ergäbe das eine Pyramide so hoch wie die von Cheops."

Das von Euch als gottgegeben hingestellte sogenannte "geistige Eigentum" ist bei näherem Hinsehen eine Chimäre jüngeren Datums, gerne als unsachlicher Kampfbegriff angeführt, um gewisse grundsätzliche Diskussionen zu vermeiden

Gerade Ihr als "Tatort"-Autoren, deren Brötchen zum großen Teil über die Rundfunkgebühren bezahlt werden, solltet wissen, wie sich eine Kultur-Flatrate anfühlt. Hier hungern Urheber nicht. Aber gerade diese Verwertungsgesellschaft, die Eure "Tatort"-Drehbücher entlohnt, ist das beste Beispiel, wie sich ein verselbstständigter Wasserkopf mehr und mehr der eigentlich Euch zustehenden Anteile am ausgestrahlten Werk einverleibt. Hand hoch, wie viele von Euch sind fest angestellt? Wie viele wurden in den letzten Jahren durch Vertragsveränderungen bei den Landesmedienanstalten auch noch der Zweitverwertungsrechte im Netz beraubt? Na, und wie fühlt sich der Blick in Eure Buy-out-Verträge an, wenn Ihr ehrlich seid? Stockholmsyndrom? (DER STANDARD, 1.4.2012)