Gelbe Zettel für das Zustimmen, rote für Meldungen zur Tagesordnung: An diesem Tag wird häufig abgestimmt, Basisdemokratie ist bei den Piraten Pflicht.

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Wien - Was die Piraten zum Kentern bringt, ist, wenn keiner das Passwort für das WLAN kennt. Die Mitglieder drängen sich vor dem Akkreditierungspult bei der Generalversammlung 2012 der österreichischen Piratenpartei, aber der Verantwortliche kommt nicht ins Internet und kann die Namen nicht abhaken.

Die Schlange wird länger, die Leute werden ungeduldiger, einer ruft: "Koalabär". Funktioniert nicht. Er rennt zur Bar und fragt nach. "Bär mit ae", ruft er. Ein anderer hinterher: "K groß geschrieben." Es funktioniert, die Leute gelangen tröpferlweise in "Das Werk", ein Kulturzentrum im 16. Wiener Gemeindebezirk.

Das Lokal ist für die etwa 100 Teilnehmer zu klein geraten, mit so vielen haben die Veranstalter nicht gerechnet. In Deutschland sind die Piraten gerade die politische Sensation, feiern einen Wahlsieg nach dem anderen und liegen im aktuellen Sonntagstrend des Emnid-Instituts bundesweit schon bei neun Prozent. Davon können die österreichischen Kollegen zwar nur träumen, aber an der Fantasie mangelt es nicht, an der Aufmerksamkeit auch nicht: Medienvertreter sind genügend vor Ort. Auf der Versammlung sollen inhaltlich und personell die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Dringlichstes Problem der Piraten ist die Frage, wofür sie als Partei überhaupt stehen.

Freiheit und Transparenz sind die wichtigsten Schlagwörter der Bewegung. Konkreter wird die Gruppe in der Frage nach ihrer Linie nicht - auch weil die Teilnehmer die Programmdebatte aus Zeitnot um ein paar Monate verschiebt. Bleibt die Postenvergabe: Bundessprecher wird es keinen geben, künftig entscheidet ein Bundesvorstand.Der Weg zu dieser Entscheidung war ein beschwerlicher, die Piraten stimmen solidarisch über jeden noch so kleinen Punkt ab. Das führt neben hitziger Debatten und Zeitverzögerungen auch zu zusätzlichem Erkenntnisgewinn. Denn die Gruppe der Anwesenden könnte unterschiedlicher nicht sein. Da sitzen bebrillte Nerds neben buntgefärbten Punks, alternde Idealisten mit Pferdeschwänzen neben zielstrebigen Karrieretypen im Anzug. Frauen gibt es kaum, am Ende einer beschwerlichen Sitzung aber immerhin einen gewählten Vorstand, Inhalt kommt später. (nik, DER STANDARD, 2.4.2012)