Hans-Ulrich Grimm: Vom Verzehr wird abgeraten. Droemer 2012, 319 Seiten, 18,50 Euro.

Cover: Verlag

Die Frage nach einem guten Leben beschäftigt jeden Menschen im Laufe des Lebens, und immer spielt das, was wir essen sollten, dabei eine Schlüsselrolle. Ernährungsempfehlungen gibt es wie Sand am Meer, Hans-Ulrich Grimm führt seinen Lesern vor Augen, wie sehr jeder von uns als Konsument zum Spielball einer unbarmherzigen Industrie geworden ist.

Das Essen im Supermarkt ist Chemie (selbst Bioprodukte sind industrialisiert), Werbebotschaften sind Lügen und Ernährungswissenschafter eine fragwürdige, weil käufliche Berufsgruppe. Dagegen kämpft der ehemalige "Spiegel"-Journalist, sein Zorn auf die Machenschaften von Nestlé, Unilever, Danone, McDonald's, Kraft Foods und Co ist unverhohlen und macht das Buch zu einer kurzweiligen Lektüre. 

Phytosterine im Visier

In acht Kapiteln meißelt er zwei streng voneinander abgegrenzte Bereiche heraus: jene, in der die Nahrung von Natur und Tradition bestimmt wird (mit allen Einschränkungen, die damit verbunden sind), und Essen aus dem Supermarkt, das zu Zwecken der Haltbarkeit, Ästhetik und schnellen Zubereitung mit Chemie versetzt wird. Grimm scheut sich nicht aufzuzeigen, dass diese Art der Ernährung Menschen auch krank machen kann, führt Beispiele an, sucht Studien zusammen. Phytosterine in Margarinen, Vitamine und "Functional Food" hat er besonders im Visier. 

Food-Detektiv Grimm

Manche Passagen lesen sich etwas zu reißerisch - es wäre nicht notwendig gewesen, denn die Szene, die Grimm als Food-Detektiv schon lange beobachtet, gibt Stoff für Skandale. Die Lobbyarbeit der Nahrungsmittelindustrie etwa, die längst die EU-Politik durchdrungen hat: "Bei Ernährung hat die Demokratie Pause", so Grimms Resümee. Auch Österreich hat er unter Beobachtung: den Anti-Aging-Mediziner Johannes Huber zum Beispiel oder die Anwälte von Schönherr und ihre Rolle in der Nahrungsmittelindustrie. Das Fazit: Das Buch ist eine Orientierungshilfe. Gesund zu leben, bleibt sowieso jedem selbst überlassen. (Karin Pollack, DER STANDARD, 2.4.2012)