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Bei mehreren Tauchgängen wurden verschiedenste Gegenstände an die Oberfläche gebracht.

Foto: AP/dapd/RMS Titanic, Inc.

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Das Logo des Unternehmens White Star Line ist auf dieser Tasse noch schön zu erkennen.

Foto: REUTERS/Phil Noble

Was wären Sammler ohne Vergänglichkeit? Vergänglichkeit schürt Verlustängste gleichermaßen, wie sie Alltägliches in Seltenes und damit Wertvolles wandelt. Sammeln bedeutet Bewahren und Erinnern - auch an Katastrophen. Grenzen dafür gibt es nicht. So gut wie.

Die Rettungsweste eines Schiffspassagiers - nicht die eines Überlebenden, sondern eines Ertrunkenen. Eine Leinentasche mit den Habseligkeiten eines anderen Opfers. Die Dienstmarke eines Stewards, die sich an dessen gefrorener Leiche befunden hatte. Alles Gegenstände, die im Juni 2004 auf einer Titanic-Auktion in New York zu Höchstpreisen ersteigert wurden. Memorabilia von dem als unsinkbar gegolten habenden größten Schiff seiner Zeit.

Auktion der besonderen Art

Wann immer Erinnerungsstücke von Reisenden oder Objekte von dem Ozeandampfer unter den Hammer kamen, konnten Auktionshäuser wie Guernsey's oder Henry Aldrige & Son mit ausgabefreudigen Käufern rechnen. Doch der 11. April 2012 soll alles Bisherige in den Schatten stellen: 5000 Objekte werden an diesem Tag in New York feilgeboten, hundert Jahre nachdem das Luxusschiff der britischen White Star Line seine Jungfernfahrt über den Nordatlantik aufgenommen hatte. Darunter Schmuckstücke von Passagieren, Schiffsteile und Dokumente über die Bergung der Schätze.

Derzeitiger Besitzer ist das RMS-Titanic-Unternehmen, das seit 1987 achtmal Taucher zu dem in 3800 Meter Tiefe gelegenen Wrack 450 Seemeilen vor der Küste Neufundlands geschickt hatte. Mehr als 190 Millionen Dollar (142 Millionen Euro) hofft das Unternehmen aus der Versteigerung lukrieren zu können. Doch Jäger von Erinnerungsstücken mit Bezug auf die Schiffskatastrophe brauchen sich keine große Hoffnung auf einen Sammelleckerbissen machen: Denn die geborgenen Stücke werden nicht einzeln, sondern nur als gesamte Kollektion versteigert. 

Stücke müssen erhalten bleiben

Wer den Zuschlag erhält, muss sich zudem verpflichten, für den Erhalt der Stücke zu sorgen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach den Worten des Chefs des Auktionshauses Guernsey's, Arlen Ettinger, muss " die Erinnerung an dieses großartige Schiff" auch für künftige Generationen erhalten bleiben. Die nun zur Auktion kommenden Gegenstände erinnern auf teils gespenstische Weise an die mehr als 1500 Menschen, die in der Nacht zum 15. April 1912 bei dem Schiffsunglück ihr Leben verloren: Rasiersets, Kinderspielzeug, Kleidungsstücke, Schmuck oder die Messingknöpfe, die die schmucken Uniformen von Kapitän Edward Smith und seinen Offizieren zierten.

Andere Stücke wie etwa die Kristallkaraffen aus den Erste-Klasse-Kabinen, ein lädierter Kronleuchter aus dem Restaurant oder das Porzellangeschirr lassen eine Ahnung von dem luxuriösen Leben an Bord des Schiffs aufkommen. Von der Titanic selbst stehen unter anderem ein 17 Tonnen schweres Rumpfteil, ein Kompass sowie ein Megafon zum Verkauf, das möglicherweise bei der Evakuierung eingesetzt wurde.

Eine Uhr, die auf 2.16 Uhr steht

Was Sammler zuvor an Titanic-Memorabilia ergattern konnten, stammte zum überwiegenden Teil von Überlebenden bzw. deren Familien. Eines der teuren Einzelstück war die Taschenuhr des Erste-Klasse-Stewards Edmund Stone, die 2008 bei einem Preis von rund 94.000 britischen Pfund (nach heutigem Kurs fast 113.000 Euro) den Besitzer wechselte. Die Zeiger der Uhr waren bei 2.16 Uhr stehengeblieben, vermutlich jener Zeit, in dem sein Körper ins eiskalte Wasser des Nordatlantiks eintauchte, vier Minuten vor dem Untergang des Schiffes.

Für Schlagzeilen sorgte auch der Crow's Nest Key, ein Schlüssel, mit dessen Hilfe der Untergang möglicherweise hätte verhindert werden können. Mit dem Schlüssel war der Fernrohrschrank des nagelneuen Luxusliners versperrt worden. Er fehlte jedoch, als die Titanic zu ihrer Jungfernfahrt auslief. Die Wachen mussten deshalb mit bloßem Auge nach Eisbergen Ausschau halten. Ein chinesischer Juwelier erwarb den Schlüssel 2007 für knapp 158.000 US-Dollar (118.000 Euro).

Funksprüche für mehr als 90.000 Euro

Doch nicht nur persönliche Sachen der Passagiere und Gegenstände vom Schiff erzielten bei Versteigerungen gigantische Summen. Aufzeichnungen von Funksprüchen, die zwischen der Titanic, dem Schwesterschiff Olympic und anderen Booten hin und her gingen, erzielten 1998 bei einer Versteigerung die stolze Summe von 123.500 Dollar (92.000 Euro). Der Schätzwert hatte zwischen 2200 und 2800 Dollar gelegen.

Fluch und Segen zugleich waren für Sammler der "Titanic"-Kassenhit mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet 1998. Einerseits wurde beim Durchstöbern von Kellern noch die eine oder andere in Geld verwandelbare Erinnerung hervorgekramt, andererseits trieb der Film die Preise in schwindelnde Höhen. 

Kohle mit der Kohle

Doch auch finanziell schwachbrüstige Sammler mussten und müssen nicht leer ausgehen. Alle möglichen Webstores bieten hübsch verpackte Kohlestückchen mit " Authentizitätszertifikat" an. Immerhin fassten die Bunker des Schiffes 6700 Tonnen davon. Dem Sammler bleibt es allerdings selbst überlassen, Echtheit und Wert dieser schwarzen Brocken festzustellen.

Grenzen für Sammler gibt es nicht. So gut wie. In einem Bericht über die Versteigerung von Titanic-Erinnerungsstücken fragte die SFGate Auktionator Ettinger, ob eines Tages wohl auch Gegenstände von Opfern oder Überlebenden der 9/11-Terroranschläge versteigert werden würden. Er wisse die Antwort darauf nicht, meinte Ettinger. Aber er sehe einen wesentlichen Unterschied zwischen dem 11. September und dem Untergang der Titanic: "Der 11. September war eine Tragödie mit internationalen Ausmaßen, die jeden getroffen hat. Dies war kein Unfall." (Karin Tzschentke, DER STANDARD, 29.3.2012)