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Der bisher von der ungarischen Regierungs-partei Fidesz unterstützte Staatschef Pál Schmitt steht mittlerweile in der Plagiatsaffäre ziemlich einsam da.

Foto: Reuters/SRDJAN ZIVULOVIC

Der Senat der Budapester Semmelweis-Universität für Medizinwissenschaften (Sote) befand am Donnerstag, dem ungarischen Staatspräsidenten Pál Schmitt wird der 1992 erworbene Doktortitel aberkannt. Zuvor hatte sich die Prüfkommission der Sote mit 16:2 Stimmen für diesen Schritt ausgesprochen. Am Dienstag dieser Woche hatte eine Untersuchungskommission der Sote festgestellt, dass Schmitt weite Teile seiner Dissertation von anderen Autoren abgeschrieben hat. Zugleich hatte sie ihn aber auch von eigenem Verschulden freigesprochen, weil die damalige Universität für Körperkultur - heute in die Sote integriert - die Arbeit nicht hätte zulassen dürfen.

Das Manöver überzeugte die Öffentlichkeit nicht. Selbst in der Regierungspartei Fidesz trat nach zwei Tagen ein Gesinnungswandel ein. Hatte sich die Fidesz-Sprecherin Gabriella Selmeczi am Dienstag noch voll hinter Schmitt gestellt ("Wir betrachten die Angelegenheit als abgeschlossen"), so verlangte die Tageszeitung Magyar Nemzet, ein ausgewiesenes Fidesz-Sprachrohr, am Donnerstag bereits unverblümt den Rücktritt des umstrittenen Präsidenten. Die Entscheidung liegt aber letztlich in den Händen Orbáns, der sich seit Bekanntwerden des Untersuchungsberichts noch nicht dazu geäußert hat.

Schmitt war 2010 auf ausdrücklichen Wunsch des rechtspopulistischen Premier Viktor Orbán von der Parlamentsmehrheit der Fidesz (Bund Junger Demokraten) ins höchste Amt gewählt worden. Orbáns Wahl war schon damals in der Fidesz nicht unumstritten gewesen. Schmitt, ein ehemaliger Olympia-Fechter, hatte im Kommunismus eine glänzende Karriere als Hotelmanager und Sportfunktionär gemacht. Auch saß er viele Jahre im Präsidium des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Nach der Wende passte er sich an die jeweiligen Regierungen an, war Botschafter unter den Sozialisten und am Ende einer der Vizepräsidenten der Fidesz. Als Staatspräsident signierte er über 360 Gesetze - darunter das Mediengesetz, die rückwirkende Besteuerung von Beamtenabfertigungen und die neue Verfassung. Nach der Amtsübernahme hatte er erklärt, er wolle "Motor, nicht Bremse der Gesetzgebung sein".

Olympischer Geist

Anfang des Jahres stellte die Online-Ausgabe des Wochenmagazins HVG bei Schmitts Doktorarbeit über die Geschichte der olympischen Bewegung weitgehende Textidentitäten mit Schriften des bulgarischen Sportwissenschaftlers und IOC-Funktionärs Nikolaj Georgijew und des deutschen Soziologen Klaus Heinemann fest. Schmitt hatte die Passagen lediglich aus dem Französischen und Deutschen übersetzt. Weder Zitate noch Fußnoten verweisen auf die Quellen des Plagiats. Die Untersuchungskommission der Sote bestätigte die Erkenntnisse der HVG-Journalisten. Eine Stellungnahme Schmitts stand zunächst aus, er befand sich Donnerstag auf einer Auslandsreise.  (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 30.3.2012)