Meiotische Chromosomen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die als Modellorganismus in der Genetik dient. Die DNA ist blau gefärbt, ein spezielles meiotisches Protein grün.

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Mikroskopisches Bild menschlicher Chromosomen.

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Manchmal kommt es bei der Zellteilung im menschlichen Körper zu schwerwiegenden Fehlern. Im Zellkern befinden sich die DNA-Stränge, die die Erbinformation, das menschliche Genom tragen. Sie sind von Proteinen umgeben in Chromosomen strukturiert. Wenn sich die Zelle teilt, kann es etwa passieren, dass sich die Chromosomen falsch aufteilen und in den Körperzellen dann nicht doppelt, sondern dreifach vorliegen. Man spricht von einer Trisomie. Wenn diese Verdreifachung nun das 21. Chromosom, auf dem sich 225 Gene befinden, betrifft, hat das schwere Auswirkungen auf die Entwicklung eines Menschen. Ärzte bezeichnen diese Auswirkungen als Down-Syndrom.

Wie sich Chromosomen bei der Zellteilung auf die Tochterzellen aufteilen, ist eine der Fragen, die im Forschungsbereich der Chromosomendynamik gestellt werden. Am Campus Vienna Biocenter gibt es in diesem Jahr erstmals die Möglichkeit, sich im Rahmen eines spezialisierten Doktoratsprogramms der Max F. Perutz Laboratories (einem Joint Venture von Uni Wien und MedUni Wien) und des Gregor-Mendel-Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf Chromosomendynamik zu spezialisieren.

Studienabsolventen mit einem Hintergrund in der Molekularbiologie, Genetik, Biochemie oder einem ähnlichen Fachbereich in Naturwissenschaften beziehungsweise Life Sciences waren eingeladen, sich für das im September startende Programm zu bewerben. Peter Schlögelhofer vom Department für Chromosomenbiologie der Uni Wien und Sprecher des Programms arbeitet sich gerade durch hunderte Bewerbungen aus aller Welt. "25 von ihnen werden wir einladen. Sie bekommen Gelegenheit, ihre bisherige Forschungsarbeit vorzustellen, und werden einen harten Auswahlprozess durchlaufen", so Schlögelhofer.

Umfassendes Ausbildungspaket

Am Ende werden heuer neun Bewerber übrig bleiben, die Gelegenheit bekommen, das umfassende Ausbildungspaket zu absolvieren. Im Vollausbau soll es 18 Plätze für Jungforscher geben. Sie werden nicht nur, wie sonst üblich, ein Projekt bearbeiten und Vorlesungen besuchen. Sie werden mit Grundlagenforschung anhand von unterschiedlichen Modellorganismen und experimentellen Ansätzen vertraut gemacht. Workshops mit externen Experten über ethische Aspekte oder Publishing und Editing im wissenschaftlichen Bereich runden die Ausbildung ab. Auslandsaufenthalte sind obligatorisch.

Die Teilnehmer des Programms sollen sowohl lernen, Wissenschaft "mit den eigenen Händen zu betreiben", als auch auf einen breiten Arbeitsmarkt vorbereitet werden, der auch wissenschaftsnahe Berufe, etwa in Industrie oder in der Wissenschaftskommunikation, einschließt, so Schlögelhofer. Am Ende des ersten Vierjahreszyklus soll von den Studenten eine große Konferenz in Wien organisiert werden. Schlögelhofer sagt, ihm sei weltweit kein vergleichbares Programm bekannt. 

Den molekularen Mechanismen auf die Spur zu kommen, die erklären, wie die Chromosomen funktionieren, wie sie sich bewegen, wie die Informationsweitergabe abläuft, hat nicht nur Bedeutung für das Verständnis menschlicher Gesundheit und Fortpflanzung. Wissen über das Verhalten der Chromosomen ist auch relevant für den Lebensmittelbereich, auch abseits genetischer Modifikation etwa bei der Optimierung von Pflanzenzüchtungen, oder für industrielle Anwendungen, etwa bei der Entwicklung neuer Proteinkombinationen, die in der Waschmittelherstellung eine Rolle spielen.

Mitose und Meiose

Im Rahmen des Programms wird in verschiedenen Forschungsgruppen an Pflanzen, an Tieren wie dem Fadenwurm und an Modellorganismen wie Spalthefe geforscht. Ein wichtiger Aspekt ist die Aufrechterhaltung der Informationen, die in der DNA gespeichert sind, wie äußere Einflüsse auf sie einwirken, wie Schäden repariert werden und die Integrität bewahrt wird. Um die beiden Arten der Zellteilung, Mitose und Meiose (Meiose bezeichnet die Reduktionsteilung, bei der die Chromosmen rekombiniert werden, und ist eine Voraussetzung für Fortpflanzung), stellen sich Fragen zur Chromosomenbewegung und Informationsweitergabe. Die Rekombination des Erbgutes ist, so Schlögelhofer, zu einem gewissen Grad dem Zufall überlassen - allerdings nur innerhalb gewisser Rahmenbedingungen. Nicht alle Kombinationen, die als Zufall denkbar sind, sind auch tatsächlich möglich.

Das Doktoratskolleg dockt an einem bereits bestehenden Forschungsprogramm im Bereich der Chromosomenbiologie am Campus Vienna Biocenter an, beide werden vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert. Der Standort an einem der größten Life-Science-Hubs Europas hat auch den Vorteil, dass teure Anschaffungen gemeinsam genutzt werden können. Dank modernster Technik soll es künftig etwa möglich sein, ein Genom in wenigen Stunden zu sequenzieren. (Alois Pumhösel, derStandard.at, 3.4.2012)