Ein Parteiloser hat die Parteien in der Hand: Mario Montis Rücktrittsdrohung hat in Italien ein politisches Wunder bewirkt. Nach Jahren des Scheiterns haben sich die Gruppierungen im Übergangskabinett in nur zwei Stunden auf ein neues Wahlrecht und eine Parlamentsreform geeinigt. Der Text zur nötigen Verfassungsreform soll in zwei Wochen vorliegen, das Gesetz könnte rechtzeitig zur Parlamentswahl in einem Jahr in Kraft treten. Das neue Wahlsystem sieht erhebliche Änderungen vor und lockert das bipolare System.

So müssen sich Koalitionen in Zukunft nicht mehr vor der Wahl formieren. Jede Partei muss einen Kandidaten für das Amt des Premiers benennen. Eine Sperrklausel von vier Prozent soll den Wald von Kleinparteien lichten. Der bisherige Mehrheitsbonus für die stärkste Partei wird reduziert.

Konnten die Wähler bisher nur Parteien ankreuzen, sollen sie in Zukunft wieder Kandidaten bestimmen können. Der stärksten Partei obliegt es, den Regierungschef vorzuschlagen. Dessen Kompetenzen werden erheblich erweitert. So soll er selbst Minister ernennen und entlassen können.

Jubel und Kritik

Das Wahlrecht macht den dritten Pol von Pier Ferdinando Casini und Gianfranco Fini zum Königsmacher. Die Partei der Mitte kann entscheiden, ob sie sich mit der Linken oder der Rechten verbündet. Während die drei großen Parteien die Einigung begrüßten, reagierten die kleinen verärgert über ihren Ausschluss. Die Lega Nord grummelte von "Sauerei", Italien der Werte von einem "Wahlbetrug".

Auch der längst fälligen Parlamentsreform scheint jetzt nichts mehr im Weg zu stehen: Die Zahl der Abgeordneten soll von 630 auf 500 sinken, jene der Senatoren von 315 auf 250. Der Senat soll in Zukunft in eine Regionenkammer nach Vorbild des Bundesrats umgewandelt werden. Durch Reduzierung des Wahlalters auf 18 Jahre steigt die Zahl der Wähler 2013 um mehr als fünf Millionen.

Premier Monti hat indes seine umstrittene Arbeitsmarktreform erneut verteidigt. Am Rande seines Besuchs in Japan platzierte er einen Seitenhieb auf die italienischen Parteien: "Unsere Regierung stützt sich auf gute Umfragewerte. Das ist bei den Parteien hingegen keineswegs der Fall." (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, 29.3.2012)