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Madonna legt ihr neues Album vor.

Foto: AP/Morry Gash

In Internetforen wird Madonna derzeit verhöhnt. Die Tatsache, dass sich eine 53-jährige Popkünstlerin in ihren Videos als ewiges "Girl" inklusive mindestens 20 Jahre jüngerer synchrontanzender bester Freundinnen inszeniert und auf aktuellen Fotos auch noch recht selbstverständlich der behübschenden Photoshop-Technik ihren Segen gibt, verstört anfangs doch erheblich. Was bei männlichen Künstlern fortgeschrittenen Alters (Mick Jagger, Paul McCartney) als immergrüne Selbstverständlichkeit gilt, die den virilen Charakter unterstreichen helfen soll, gilt im Falle einer Frau als mindestens peinlich.

Dazu kommt noch das sexistische alte Rollenbild. Ein mehrfacher Popvater darf auch noch im Rentenalter den wilden Hund ohne Ablaufdatum raushängen lassen und von süßen 16-Jährigen singen. Das vermehrt das symbolische Kapital. Von Frauen wird meist ab der Mutterrolle gefordert, den Sex irgendwann hinter sittlicher Reife zu verstecken. Ganz schlimm wird es, wenn sich eine Madonna nach einer Scheidung wieder einmal jüngere Männer als Geliebte nimmt.

Eine ganze, mit Madonna groß gewordene Generation von Frauen hat angesichts der unbelehrbaren Frau aus Amerika ähnliche Vorbehalte. Da aber Madonna als eine der ersten, einst in ihren Anfängen (frühe 1980er) auch außerhalb feministischer Diskurse für ein neues Selbstbewusstsein sorgte und dabei auch noch ihr öffentliches Bild bestimmte, verhält es sich dann doch etwas anders. Möglicherweise ist es an der Zeit zu akzeptieren, dass Mann und Frau nicht wie vor hundert Jahren ab der Lebensmitte dem Schicksal Probe sitzen und aufhören, der auch dazugehörenden Lebensfreude zu huldigen, sondern bei guter Führung tatsächlich noch eine zweite Hälfte vor sich haben. Diese kann ja durchaus auch mit etwas gutem altem Spaß und Rambazamba in der Disco vergehen. Natürlich ist es auch peinlich, wenn Madonna auf ihrem neuen, mittlerweile zwölften Album in mehreren Songs (etwa Give Me All Your Luvin') von ihren Abenteuern als "Girl" kiekst. Man darf allerdings auch nie vergessen, dass es meist die tatsächlich alten Leute sind, die sich über den Jux und die Tollerei der Jungen lustigmachen oder mokieren. Madonna, geh du für uns voran. Für immer jung. Zur Not auch mit Photoshop und zwickender und zwackender Fetischkleidung. Am 29. Juli gastiert Madonna im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Girls, we wanna have fun! (Christian Schachinger, DER STANDARD, 24./25.3.2012)