Schauspieler und Regisseur Peter Kern in dem Film "Kern" von Veronika Franz und Severin Fiala. 

Foto: Ulrich Seidl Film

Graz - Eine einstweilige Verfügung gegen den Film hätte er griffbereit in der Jackentasche, auch die Malakofftorte sei bestellt, um die "Sache würdig zu Ende zu bringen". Peter Kern, der Schauspieler und Regisseur mit dem aufbrausenden Temperament, setzte bei der Diagonale wieder einmal alles daran, einem Festival eine kleine Schockwelle zuzuführen.

Doch Freunde der Empörung wurden enttäuscht: Nach der Premiere von Veronika Franz' und Severin Fialas Kern saß der Porträtierte friedlich vor Publikum und würdigte die Arbeit als "Hommage an die Bauchschürze". Kern bezog sich auf jene Szene, in der er nackt zu sehen ist: nicht der einzige Moment dieser klug-liebevollen Nahaufnahme, in dem sich der begnadete Selbstdarsteller verwundbar zeigt - und voller Zorn, Opfer dieser Zurschaustellung zu sein. Der Gemeindebau, in dem der Film zumeist spielt, betont die Isolation seiner Existenz. Kern ist jedoch keines dieser Porträts, in denen die Grenzen zwischen Machern und Protagonisten klar gezogen wären, sondern ein offenes Match: Die Kamera ist einerseits Hassobjekt ("ein Fuchtelfilm", schimpft Kern); für einen Performer wie ihn wird sie aber auch zur (viel zu) verführerischen Bühne, vor der er singt, schreit, weint, tanzt und von seinem Leben erzählt. Kein Leichtes, diesem Mann Paroli zu bieten: Franz und Fiala gelingt dies auf eine clever-verspielte Weise, indem sie den Dokumentarfilm als Spiegelkabinett mit vielen Ausgängen nützen.

Eine andere Passion führt man jedes Jahr am Karwochenende im sizilianischen Trapani auf: Nach einer kurzen Verortung des Geschehens befindet man sich in Joerg Burgers Dokumentarfilm Way of Passion bei den Vorbereitungen jener Oster-Umzüge, in denen in Gilden organisierte Bewohner riesige Statuen durch die Stadt tragen. Burger und sein kongenialer zweiter Kameramann Johannes Hammel bleiben auch nach den letzten Handgriffen in der Kirche mitten im Geschehen. Es wird nichts kommentiert. Die Träger schaukeln im Rhythmus der Trauermärsche. Die über hundert Kilo schweren, geschnitzten religiösen Motive ruckeln auf ihren Schultern durch die Straßen.

Die Kameras finden Details und Routinen, zeigen die feinen Anzüge und fetten Golduhren, den heiligen Ernst und die Erschöpfung - Way of Passion ist ein Stück weit ethnografisches Kino, vor allem aber wird das Ritual der Prozession als körperliche Erfahrung vermittelt. Beim Verlassen des Kinos schwankt man dann selbst ein wenig. Am Samstagabend werden auf der Diagonale die Preise verliehen; bereits am Freitag wurde verlautbart, dass Markus Schleinzers Drama Michael mit dem Thomas-Pluch-Drehbuchpreis ausgezeichnet wird. Den Carl-Mayer-Preis erhalten Christoph Brunner und Kevin Lutz für das Treatment "Constantin Nikolaus Bickermann". (Dominik Kamalzadeh und Isabella Reicher, DER STANDARD, 24./25.3.2012)