Wien - Was für den einen Diskriminierung, ist für den anderen "eine Frage der Rahmenbedingungen". Denn damit erklärte Kardinal Christoph Schönborn am Freitag, dass jener homosexuelle Kandidat bei der Pfarrgemeinderatswahl im niederösterreichischen Stützenhofen vom dortigen Pfarrer abgewiesen worden war.

"In einer solchen Funktion muss jeder Mensch mit seinem Lebensstil so umgehen, dass er mit den kirchlichen Vorgaben übereinstimmt", sagte Schönborn und zitierte anschließend den Katechismus der römisch-katholischen Kirche: Niemand dürfe aufgrund seiner Rasse, seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Er wolle zu dem betreffenden Fall aber kein Urteil abgeben, sondern zunächst das Gespräch mit dem 26-Jährigen suchen.

Der Pfarrgemeinderatsanwärter blickt dem für Samstag anberaumten Treffen " neugierig und auch gespannt" entgegen, sagte er zum Standard. Er verstehe die Argumentation Schönborns im Ansatz: "Natürlich ist es immer auch eine Frage der Kirchenregeln." Regeln könnten aber unterschiedlich ausgelegt werden. Hier gebe es Spielraum. Diese und andere Punkte wolle er mit dem Kardinal klären.

"Das Dorf steht hinter mir"

"Er ist die oberste Instanz, wie er entscheidet, wird die Sache entscheiden", sagt er. Seine Bewerbung zurückziehen werde er nicht. Unterstützt wird er von den Mitgliedern der Pfarrgemeinde, die ihn mit etwa 80 Prozent der Stimmen gewählt hatten. "Das Dorf steht komplett hinter mir."

Kardinal Schönborn hielt am Freitag eine Pressekonferenz nach der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz ab. Auf dieser sei der Umgang mit Missbrauchsfällen ein wichtiger Punkt gewesen. "Die Kirche ist bereit, sich der Wahrheit zu stellen", sagte der Wiener Erzbischof.

Die neu aufgekommenen Verdachtsfälle im Stift Kremsmünster in Oberösterreich sowie im Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau bezeichnete Schönborn als "bestürzend. Diese massiven Vorwürfe machen mich sehr betroffen", betonte der Kardinal. Die römisch-katholische Kirche sowie die betroffenen Einrichtungen seien für "volle Aufklärung".

Mit Bedauern sei zur Kenntnis zu nehmen, dass in Zusammenhang mit Missbrauchsfällen viele Dinge verschwiegen worden seien. Zu manchen Fällen gebe es keine Unterlagen mehr, auch mutmaßliche Täter "reden nicht mehr". Die Opfer sollten sich bei der Klasnic-Kommission melden. Da sei es unerheblich, ob Fälle verjährt seien oder nicht.

Fortschritte sieht Schönborn im Konflikt mit den "ungehorsamen" Reformern. "Es ist eine Situation, die durchaus in Bewegung ist", sagte er in Bezug auf die neuen "modifizierten" Thesen der Pfarrerinitiative. Von einer "Pattstellung" könne nicht die Rede sein: "Wir haben Grenzen genannt, die zu beachten sind, aber auch die Bereitschaft zum Gespräch."

"Nicht verantwortbar"

Einen "schweren und gravierenden Mangel in der Gesetzgebung" nannte Schönborn die Erlaubnis, Kinder mit Verdacht auf eine Behinderung bis kurz vor der Geburt abzutreiben. Es sei "nicht verantwortbar, das als Selbstverständlichkeit zu behandeln".

In kirchlichen Einrichtungen werde viel dafür getan, Menschen mit Downsyndrom vom Kleinkindalter an zu fördern und den Angehörigen zu helfen. Er fordere die Stimme der Politik ein, die bereits vor Jahren " flankierende Maßnahmen versprochen hatte". (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 24./25.3.2012)