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Flüchtlingspolitik im Zeitalter von Schengen und Dublin II: Geräte wie diese können "Illegale" auch im Dunklen erfassen, aber nicht zwischen Fluchthelfern und Menschenhändlern unterscheiden. Österreichs Innenministerin offenbar auch nicht...

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Alexander Pollak: Flüchtlinge bleiben auf der Strecke

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Schlepper haben schon vielen Menschen das Leben gerettet. Ohne Schlepper wären etwa noch wesentlich mehr Menschen in den Gaskammern der Nationalsozialisten ermordet worden, ohne Schlepper hätten viele bedrohte Personen, die in den vergangenen Jahren aus dem Iran, aus Afghanistan, aus Sierra Leone oder anderen politischen Brennpunkten geflüchtet sind, Verfolgung, Folter oder Tod erleiden müssen.

Schlepper werden dort in Anspruch genommen, wo eine legale Flucht nicht möglich ist oder wo Transitrouten in Zielländer verbaut sind. Die Schattenseite des Dienstes, den Schlepper leisten, ist bekannt: Menschen, die sich Fluchthelfern anvertrauen, müssen oft ihre letzten Ersparnisse zusammenkratzen, riskieren viel und sind ihren Fluchthelfern ausgeliefert. Daher ist es ohne Zweifel schlecht, dass es Schlepper braucht, um nach Europa und nach Österreich zu kommen.

Ohne Differenzierung

Dass Schlepper imagemäßig zu den ganz Bösen zählen, hat jedoch auch einen anderen Grund: die Gleichsetzung von Fluchthelfern mit Menschenhändlern. Zwischen Fluchthelfern, die fluchtwillige Menschen transportieren, und Menschenhändlern, die Menschen gegen ihren Willen verschleppen und ausnutzen, wird meist kein Unterschied gemacht.

Das weiß auch die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner. Aus ihrem Mund ist noch nie ein positives Wort zum lebensrettenden Aspekt von Fluchthilfe gekommen. Sie kennt nur Worte der Verachtung für Schlepper (und auch für Geschleppte). Dabei spielt das Geschäft der Schlepper eine wichtige Rolle für Mikl-Leitners Politik - und die Politik der Innenministerin ist das Lebenselixier für dieses Geschäft.

Die dahinterstehende Formel ist einfach: Je dichter die Tore der Festung Europa geschlossen werden, desto dringender brauchen Flüchtlinge den Dienst von Schleppern. Bereits jetzt können Flüchtlinge nicht mehr legal nach Österreich einreisen. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, ist daher inzwischen praktisch deckungsgleich mit der Zahl der aufgegriffenen sogenannten "Illegalen", die von der österreichischen Innenministerin an den Pranger gestellt werden.

Dabei ist die Illegalisierung von Menschen verhinderbar, ebenso wie Schlepperei eindämmbar ist. Wie das geht? Nicht durch dicke Mauern und auch nicht durch meterhohe Stacheldrahtzäune, sondern durch die Schaffung legaler Fluchtwege. Früher konnten Schutzbedürftige außerhalb Österreichs einen Asylantrag stellen und dann legal nach Österreich einreisen. Früher, als es noch nicht das berüchtigte Dublin-Abkommen zwischen den EU-Ländern gab, konnten Flüchtlinge auch noch legal konkrete Zielländer in Europa ansteuern, damit sie dort landen, wo sich bereits Bekannte oder Verwandte befinden, wo sie die Landessprache beherrschen oder wo sie aus einem anderen Grund für sich die besten Zukunftsperspektiven sehen.

Stimmungsmache

Wenn die Innenministerin wirklich daran interessiert wäre, etwas gegen die Abhängigkeit der Flüchtlinge von Schleppern zu machen, dann würde sie der europäischen Blockadepolitik gegen Flüchtlinge entgegentreten, dann würde sie legale Fluchtkorridore und Migrationsmöglichkeiten schaffen. Doch das tut sie nicht. Stattdessen macht sie Stimmung. Sie diskreditiert und kriminalisiert Asylsuchende. Sie erklärt sich zur Grenzzaun-Ministerin, deren einziger Erfolgsparameter die Minimierung der Anzahl der Flüchtlinge ist, die es nach Österreich schaffen. Und während sie zum polizeilichen und militärischen Kampf gegen Schlepper und "Illegale" aufruft, erlässt sie Gesetze, die nichts anderes tun als Illegalität und eine immer größere Abhängigkeit der Flüchtlinge von Schleppern zu produzieren.

"Der Hut brennt!", ruft unsere Innenministerin nun (Standard, 20. 3.), um angesichts der 2011 gestiegenen, aber im Mehrjahresvergleich noch immer recht niedrigen Zahl an geschleppten Flüchtlingen, Dramatik zu erzeugen. Mikl-Leitner setzt damit etwas fort, was sie seit ihrem Amtsantritt konsequent betreibt: einen Wettkampf mit der FPÖ um die nächste große Anti-Asyl-Schlagzeile. Was sie nicht verstehen will oder möglicherweise auch für gut befindet: Jedes Mal, wenn sie diesen Wettkampf gewinnt, gewinnt die FPÖ mit. Auf der Strecke bleiben die betroffenen Flüchtlinge, auf der Strecke bleiben aber auch Menschen- und Grundrechte, die jeden Einzelnen in Österreich betreffen. In der österreichischen Innenpolitik, da brennt der Hut schon lange. (Alexander Pollak, DER STANDARD, 23.3.2012)