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Horst Tschaikner.

FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Besonders großer Medienandrang herrschte am Donnerstag im Wiener Stadtschulrat bei der Vorstellung von Horst Tschaikner, Lehrer und Mitarbeiter des Hauses, als städtischen "Schulschwänz-Beauftragten". "Das muss mit Ihrer aller Biografie zu tun haben, dass so viele Journalisten gekommen sind", bemerkte Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ), die es sich auf die Fahnen geheftet hat, Schulschwänzen "uncool" zu machen. Ob man trotz oder gerade wegen "Stangler"-Vergangenheit zum Journalisten werden kann, blieb aber ebenso ungeklärt wie die möglichen Maßnahmen, um an die der Schule fernbleibenden Jugendlichen heranzukommen.

"Null Bock auf Schule"

Brandsteidl ortet die größte Gruppe an "klassischen Schulschwänzern" in Oberstufenklassen - bei Jugendlichen ab 14, "die null Bock auf Schule haben" und sich daher lieber einem Kontrastprogramm wie "Kaffeehaussitzen" widmen. Ein bis zwei Schüler pro Klasse und damit 4.000 bis 5.000 Jugendliche seien betroffen und schwieriger zu behandeln als die verhältnismäßig kleinen Gruppen von Schwänzern in Pflichtschulen (schätzungsweise 200 bis 300) bzw. aus Schulangst Fernbleibenden. Für alle dürfe es "kein Wegschauen mehr" geben, so Brandsteidl, da es "hier auch um Lebenschance geht". Viele würden den Absprung nicht schaffen und so oft fehlen, dass sie aufgrund des großen Rückstands die Klasse nicht beenden können und im weiteren Verlauf die Schule abbrechen. "Mit jedem geschwänzten Tag steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schüler die Klasse nicht abschließt, um fünf Prozent", zitiert Brandsteidl Forschungsergebnisse des amerikanischen "National Dropout Prevention Center" aus dem Jahr 2007.

Ob Schulschwänzen in den vergangenen Jahren zu einem größeren Problem geworden ist, wisse man derzeit nicht. Die Zahl der Anzeigen wegen Schulpflichtverletzungen, die sich laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Unterrichtsministeriums seit 2005 auf rund 1.160 allein von Jänner bis September 2011 mehr als verdoppelt hat, basiere nur auf Meldungen an das zuständige Magistrat und umfasse unter der Kategorie "Schüler" auch andere Themen wie Verwahrlosung. Ein "Migrantenthema" sei das Schulschwänzen - anders als von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) in den vergangenen Wochen kommuniziert - laut Brandsteidl aber nicht. Auch von einer von Kurz geforderten Erhöhung des derzeitigen Strafgeldes von 220 Euro hält sie nichts. Damit werde das Problem, das "natürlich auch ein soziales" ist, nicht gelöst.

Runder Tisch und klarer Leitfaden

Eine der Aufgaben Tschaikners wird es also sein, Daten zu sammeln. Noch in diesem Schuljahr will der langjährige Haupt- und Berufsschullehrer alle Schulpartner an einen runden Tisch bringen und "kollektiv überlegen, was man tun kann". In weiterer Folge sollen Best-Practice-Modelle aus dem Ausland gesammelt und ein klarer Leitfaden erstellt werden, der sowohl die Rechtsgrundlagen klärt als auch aufzeigt, wie gefährdete Schüler erkannt werden können. "Derzeit wird das Thema Schulschwänzen an einzelnen Schulen sehr unterschiedlich angegangen", so Tschaikner, "hier besteht teilweise Unsicherheit und Uneinheitlichkeit." So definiere das Schulorganisationsgesetz (SchOG) etwa nicht genau, zu welchem Zeitpunkt eine Schulpflichtverletzung gemeldet werden muss. "Lehrerkollegen wünschen sich schon lange einen übergeordneten Verantwortlichen" - und genau den sollen sie in Tschaikner finden.

"Viel Lärm um nichts"

Der Spott vonseiten der Opposition am "Schulschwänz-Beauftragten" des Wiener Stadtschulrats reißt auch nach der Ernennung von Hauptschullehrer Horst Tschainker nicht ab. "Außer Schall und Rauch und viel Lärm um Nichts" habe die Präsentation am Donnerstag nämlich "nicht sonderlich viel zu bieten" gehabt, so die Wiener VP-Bildungssprecherin Isabella Leeb in einer Aussendung. Während Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (V) der Stadt zugutehält, dass sie "das Problem jedenfalls erkannt hat", bezeichnet FP-Wien-Bildungssprecher Dominik Nepp die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (S) als "Lachnummer". Der "Beauftragte Nr. 23 oder 24 im rotgrünen Wien zeigt die Hilflosigkeit von SPÖ und Grünen auch in der Bildungspolitik", meinte Nepp, der damit auf die bereits auserkorenen Universitäts- und Radfahrbeauftragten sowie den geplanten Fußgängerbeauftragten der Stadt anspielte. Leeb sieht indes in dem Posten "nicht mehr als eine weitere Scheinmaßnahme, für die Bevölkerung um Aktivität vorzutäuschen". Sie fordert stattdessen die Einführung einer Stadtwache ähnlich der "Ordnungsämter in Deutschland, die schulpflichtige Kinder auf der Straße ansprechen und die Behörden einschalten". Kurz betonte erneut, dass die Regierung derzeit an einem "konkreten Maßnahmenbündel", "darunter auch an härteren Strafen", arbeite. (APA, 22.3.2012)