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Die IGF wünscht sich mehr Sicherheitsmaßnahmen für Alltagsradfahrer im Straßenverkehr.

Foto: Reuters/Jim Young

Wien - "Cities fit for cycling" heißt die Originalkampagne der englischen Zeitung "The Times", in deren Rahmen ein Acht-Punkte-Manifest für mehr Verkehrssicherheit und -freundlichkeit für Radfahrer präsentiert wurde. Gestartet wurde die Initiative, nachdem eine Chronik-Redakteurin des Blattes auf ihrem Rad von einem Lkw überrollt wurde und seither im Wachkoma liegt.

Gemeinsam mit dem Blog "Freitritt" der "Wiener Zeitung" versucht die Interessengemeinschaft Fahrrad (IGF) nun, das Manifest nach Österreich zu bringen. Es umfasst unter anderem den Wunsch nach einer Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO), einer Aufstockung des Budgets für Radverkehrslösungen und der verpflichtenden Einrichtung eines Fahrradbeauftragten in allen österreichischen Gemeinden.

Die acht adaptierten Forderungen sollen laut IGF-Obmann Alec Hager als Textvorschläge verstanden werden, Anregungen können und sollen direkt auf der Website der Plattform gepostet werden. In einer endgültigen Fassung soll das Manifest als Petition an die österreichischen Parlamentsparteien übergeben werden. "Damit wollen wir einen gemeinsamen Standpunkt zu den nötigen Verbesserungen für Österreichs AlltagsradfahrerInnen entwickeln", so Hager.

Lesen Sie hier die Vorschläge im Wortlaut:

1. Um die Situation des umweltfreundlichen, gesunden und energieautarken Verkehrsmittels Fahrrad nachhaltig zu stärken und die Sicherheit der RadfahrerInnen zu verbessern, muss die Straßenverkehrsordnung deren Bedürfnisse zeitgemäß berücksichtigen und die nötige Basis für modernen Radverkehr herstellen. Das betrifft v. a. die gefährlichen Nachrangregelungen für Radverkehr, die kontraproduktive Radwegbenützungspflicht und die Einführung von Fahrradstraßen, Begegnungszonen und Radschnellrouten sowie die nötige Umgestaltung der Fahrradverordnung.

Denn die letzte StVO-Novelle hat statt radfreundlicher Gesetzgebung nur Kinderhelmpflichten gebracht, der peinliche Koalitionshickhack und schlecht ausgearbeitete Gesetzesvorschläge verhinderten zukunftsweisende Gesetzesänderungen der StVO im Interesse der RadfahrerInnen - Details hier.

2. In Stadtgebieten müssen 30 km/h die flächendeckend vorherrschende Geschwindigkeit werden, um die Verkehrssicherheit für integrierten Radverkehr und alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen zu erhöhen.

Das EU-Parlament hat übrigens 30 km/h in einer Resolution für ganz Europa nachdrücklich empfohlen: "... strongly recommends the responsible authorities to introduce speed limits of 30 kph in all residential areas and on single-lane roads in urban areas which have no separate cycle lanes." Auch die Verkehrsstadträtin von Wien, Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, heftet das erfreulicherweise auf ihre Fahnen, was manchen nicht gefällt.

3. Österreich hat bereits eines der dichtesten Autobahnnetze Europas. Mindestens fünf Prozent des bundesweiten Budgets für Straßeninfrastrukturaufwendungen müssen in Zukunft für zukunftsorientierte Radverkehrslösungen aufgewendet werden, anstatt weiterhin vier Milliarden Euro Steuergelder jährlich für nicht zukunftsfähige Großprojekte des Autoverkehrs zu verschwenden.

"In Österreich werden immer noch, ganz im Geiste der 70er Jahre, Milliarden in den Bau neuer Autobahnen gesteckt. Milliarden, die in Bereichen wie Bildung, erneuerbare Energien, soziale Projekte, öffentlicher Verkehr und anderen dringend benötigt werden. Exemplarisch dafür steht die Lobau-Autobahn, die drei Milliarden auf 19 km verschlingen und massiv Verkehr anziehen würde." Das meint die Plattform "Zukunft statt Autobahn", der auch die IGF angehört.

4. Verpflichtende Fahrrad-Verträglichkeitsprüfungen bei Straßenbauprojekten und Wohn- sowie Gewerbebauten müssen in allen Bundesländern eingeführt werden, um die bestmögliche Radverkehrsinfrastruktur bei Neubauten sicherzustellen. Die existenten Straßen und Bauten müssen anhand desselben, tragfähigen Kriterienkatalogs evaluiert werden. Eine Einbindung von Radverkehrs-Interessenvertretungen trägt in diesem Bereich zur Qualitätssteigerung bei.

Eine solche Prüfung wurde soeben in Linz eingeführt und sollte in allen österreichischen Gemeinden als verpflichtendes, transparentes Element installiert werden.

5. Eine bundesweite, umfassende Untersuchung von Unfällen mit RadfahrerInnenbeteiligung im Straßenverkehr muss eine genaue, objektive Analyse von Unfallursachen und Verursachern ermöglichen und in eine sicherheitsorientierte Verkehrsgestaltung statt in ineffiziente Unfallfolgenbekämpfung wie z. B. Helmtragepflichten münden.

In Österreich entstand 2011 das Verkehrssicherheits-Programm 2011-2020, die EU erarbeitete das Road Safety Action Program für denselben Zeitraum. In beiden umfangreichen Papieren muss der Radverkehr eine wichtige Rolle spielen - dennoch führt er in der österreichischen Version noch ein Schattendasein. Details hier.

6. Der Handel, ArbeitgeberInnen und Transportunternehmen müssen dazu angehalten und dabei unterstützt werden, das bestmögliche Service für ihre Rad fahrenden KundInnen und MitarbeiterInnen zur Verfügung zu stellen. Das betrifft vor allem qualitätsvolle, sichere Abstellanlagen in ausreichender Anzahl sowie Radmitnahmemöglichkeiten in Bahn und Bus.

7. Alle Städte und Gemeinden müssen eineN RadverkehrsbeauftragteN ernennen und damit beauftragen, vor Ort für die bestmöglichen Verkehrsbedingungen für RadfahrerInnen zu sorgen.

8. Die Führerscheinausbildung muss die Präsenz von Radverkehr stärker berücksichtigen. Zum besseren Verständnis der Radfahrsituation durch Perspektivenwechsel können z. B. verpflichtende Einheiten von Radfahrstunden in der Führerscheinausbildung beitragen. Öffentliche Angebote für freiwillige Radfahrendenschulung sollten diese Maßnahmen ergänzen. (red, derStandard.at, 21.3.2012)