Exaktere Einblicke ermöglicht eine neue Software: Daten aus den Computertomografien eines Patienten, die zu unterschiedlichen Therapiezeitpunkten gemacht wurden, können so verglichen werden.

Foto: Joanneum Research

Starkes Rauchen - vor allem in Verbindung mit regelmäßigem Alkoholkonsum: Diese Laster gelten als Hauptursachen von Karzinomen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich. HNO-Tumoren, zu denen etwa der Luftröhrenkrebs, der Kehlkopfkrebs oder das Mundhöhlenkarzinom gehören, sind heute weltweit die sechsthäufigsten Krebserkrankungen - die Tendenz ist weiter steigend. In Österreich ist mit über 1000 Neuerkrankungen pro Jahr zu rechnen. Der Großteil der Betroffenen - an die 80 Prozent - sind Männer, in den letzen Jahren wird aber auch bei Frauen ein starker Anstieg beobachtet. Da HNO-Tumoren oft erst spät erkannt werden, ist die Prognose meist nicht sehr gut.

Etwa die Hälfte der Patienten, die an einem bösartigen Tumor in dieser Körperregion erkranken, kann nicht geheilt werden. Wie bei anderen Krebserkrankungen werden die Patienten mit Strahlen- und Chemotherapie oder auf chirurgischem Weg behandelt. Eine zielgenaue Strahlentherapie ist bei HNO-Tumoren eine besondere Herausforderung, da die Zielstrukturen, also die Krebszellen, in sehr großer Nähe zu wichtigen Organen wie Rückenmark oder Speicheldrüsen liegen.

"Da diese angrenzenden Strukturen keinesfalls zu viel Strahlung abbekommen dürfen, ist eine hochgenaue Dosisplanung erforderlich", erläutert der Medizinphysiker Peter Winkler von der Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Med-Uni Graz. Eine Bestrahlungsserie bei HNO-Tumoren dauert rund sieben Wochen, und während dieser Zeit kommt es häufig zu körperlichen Veränderungen. Zum einen wird der Tumor durch die Bestrahlung in der Regel kleiner, zum anderen haben die Patienten oft Schluckbeschwerden und verlieren an Gewicht, wodurch sich die Gewebedichte und Ausdehnung anderer Organe etwas verändert. Das Problem: Die zu Beginn der Behandlung ermittelten Daten von der Computertomografie stimmen unter Umständen nicht mehr mit der aktuellen Situation überein, und damit weicht auch die Strahlendosisverteilung ab.

Anatomie-Veränderungen

Die Strahlen treffen möglicherweise auf gesundes Gewebe oder decken die erkrankten Bereiche nicht mehr vollständig ab. "Da man heute die Dosisverteilung sehr präzise anpassen und planen kann, ist sie auch anfälliger für Veränderungen in der Anatomie", sagt der Strahlenexperte. Diese potenziellen Fehler können vermieden werden, indem die Bestrahlungsplanung auf Basis von CT-Daten nicht wie üblich nur einmal zu Beginn der Behandlung durchgeführt wird, sondern alle zwei bis drei Wochen, um die Bestrahlung ständig den geänderten Gegebenheiten anzupassen.

Dies bedeutet für die Radioonkologen jedoch einen beträchtlichen zusätzlichen Arbeitsaufwand, der in der klinischen Praxis kaum zu bewältigen ist. Das Risiko durch die zusätzliche Strahlenbelastung von weiteren CT-Scans sei übrigens deutlich kleiner als das Risiko durch die Bestrahlung des falschen Gewebes, wie der Medizinphysiker betont.

Um dieses Problem zu lösen, haben sich die Radioonkologen an Heinz Mayer, den Forschungsgruppenleiter für Bildanalyse und Messsysteme der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research und dessen Team gewandt. "In dieser Kooperation haben wir eine Software entwickelt, mit der anatomische Veränderungen im HNO-Bereich automatisch ausgewertet werden können", erklärt Projektleiterin Martina Uray. "Wenn man zwei CT-Datensätze von zwei verschiedenen Zeitpunkten hat, kann man damit genau sagen, wo diese Veränderungen sind."

Verfälschte Ergebnisse

Eine Fehlerquelle ergibt sich allerdings aus dem Umstand, dass die Patienten trotz diverser Unterstützungsmaßnahmen nicht immer die exakt gleiche Position einnehmen wie bei der vorhergehenden Untersuchung. Es reicht schon eine winzige Drehung des Kopfes, um eine Lagerungsabweichung zu verursachen. Solche Veränderungen der Position können die Untersuchungsergebnisse massiv verfälschen, wenn man - wie bisher - einen Lagerungsfehler von einer tatsächlichen Veränderung im Körper nicht unterscheiden kann.

"Mit unserer Software ist diese so wichtige Unterscheidung erstmals möglich", betont die Forscherin. Überdies können mit der neuen Software die vom Radioonkologen nach der ersten CT-Untersuchung eingezeichneten Kurven automatisch auf den neuen Datensatz transferiert werden. Auf diese Weise erspart sich der Arzt die langwierige Arbeit, bis zu 200 Schnittbilder, die aus den CT-Rohdaten erzeugt werden, per Hand zu bearbeiten.

Bis zum Sommer läuft noch eine klinische Studie an der Grazer Uni-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie, dann ist das Medizinprodukt einsatzbereit. An der Joanneum Research will man es jedenfalls demnächst auch für andere Tumorarten adaptieren. (Doris Griesser, DER STANDARD, 21.3.2012)