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Essstörungen haben nichts mit "falscher Ernährung" zu tun, sondern sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen, die, wenn sie nicht professionell behandelt werden, zu langwierigen gesundheitlichen Schädigungen - und in sechs Prozent der Fälle (siehe Studie am Artikelende) zum Tod - führen.

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Als Mitte Februar eine Mitteilung der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien (KFA) bei "intakt Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen" eintrudelt, wollen die Betreiberinnen des Zentrums nicht einfach hinnehmen, was sie da lesen: Die Kündigung des Direktverrechnungsvertrags, mit sofortiger Wirkung, dafür ohne Vorwarnung und Angabe von Gründen. Als die Geschäftsführung bei der KFA nachhakt, bringt das keine Aufklärung, nur Ernüchterung. Fazit: "Die Aufkündigung der Kooperation ist ein Eingriff in laufende Behandlungen und wertet die Diagnose 'Essstörungen' zu einer bloßen 'Ernährungsverwirrung' ab", meinen die intakt-Therapeutinnen.

Gerade bei Krankheitsbildern der Anorexie, Bulimie oder Binge Eating sei eine Einschränkung der Therapien höchst problematisch, betont intakt-Geschäftsführerin Monika Weninger im Gespräch mit dieStandard.at: "Weil es hier oft um Jugendliche geht, die vom Good Will der Eltern abhängen, ob eine Therapie weitergeführt, also bezahlt wird - oder nicht." Für diese und Personengruppen, die sozial schwächer gestellt sind, hieße eine Sparmaßnahme in dem Bereich eine deutliche Verschlechterung, so Weninger.

KFA: PatientInnen weiterhin betreut

Dass die PatientInnen durch die Vertragskündigung unterversorgt wären, will die KFA so nicht stehen lassen. Man übernehme "selbstverständich" weiterhin Essstörungstherapien, von einer Herabstufung der psychischen Erkrankung als "Ernährungsverwirrung" könne keine Rede sein, heißt es gegenüber dieStandard.at aus der KFA. "Unsere PatientInnen werden weiterhin gut versorgt." Die Vertragskündigung betreffe zudem nicht nur das Zentrum intakt: "Wir haben einige verrechnungstechnische Dinge geändert."

So sei auch "so what", eine weitere psychotherapeutische Spezialeinrichtung bei Essstörungen, nicht länger unter Vertrag, bestätigt KFA-Generaldirektor Josef Buchner. Bestehende Therapien könnten bei den betroffenen Einrichtungen weitergeführt werden, betont Buchner. Neue und nachfolgende Behandlungen würden bei zwei nach wie vor unter Vetrag stehenden Einrichtungen, aber auch im eigenen Hause, dem Sanatorium Hera, durchgeführt werden.

Therapien günstiger als stationäre Aufenthalte

Doch bereits das Auslaufen des Vertrages bringt laut Weniger für die Betroffenen Probleme: "PatientInnen müssen jeweils zum Jahresanfang Therapiefortsetzung beantragen. Mit Ende März fallen deshalb die ersten aus dem Kassenvertrag raus." Wollen sie die Weiterführung der Therapie, hieße das: Selbstbehalt, der bei maximal 21,80 Euro Rückerstattung von der Kasse hoch ausfällt. Da es sich bei Essstörungen um fortschreitende Erkrankungen mit hoher Mortaliätsrate handle, sei nur eine professionelle ambulante Therapie zielführend - und zudem viel billiger als stationäre Behandlungen. Sie nennt die Kündigung insofern "sehr, sehr kurzsichtig".

Vor diesem Hintergrund beibt Weninger dabei: Die Versorgungslage für Betroffene wird unter Spardruck schlechter. Ob das andernorts abgefedert werden kann, wird sich im April weisen: Dann steht ein Verhandlungstermin über einen Vertrag mit der Wiener Gebietskrankenkasse an. (red, dieStandard.at, 20.3.2012)