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Polizisten vor einer jüdischen Schule in Paris.

Foto: Jacques Brinon/AP/dapd

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Trauerfeier in Paris im Gedenken an die Opfer des Anschlages.

Foto: EPA/IAN LANGSDON

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Polizei vor der Schule in Toulouse.

Foto: Remy de la Mauviniere/AP/dapd

Paris - Die französische Polizei setzt nun nicht mehr vorrangig auf die Spur, die nach der Angriffsserie im südfranzösischen Toulouse zu mutmaßlichen Neonazis in der Armee geführt hatte. Die Spur zu Soldaten, die "mehr oder weniger" der Neonazi-Szene nahestanden, werde bei den Ermittlungen nicht mehr bevorzugt verfolgt, hieß es am Dienstag aus Polizeikreisen. Noch in der Früh hatte Innenminister Claude Gueant bei der Tätersuche von Soldaten mit Neonazi-Ansichten gesprochen, "die aus der Armee entlassen worden sein und Rachegedanken haben könnten".

Die Hintergründe der Mordserie in Südfrankreich sind weiterhin völlig rätselhaft. Über die Motive und die Identität des unbekannten Serientäters bestehe noch immer Unklarheit, sagte Innenminister Claude Guéant. "Wir wissen bis heute nicht, wer er ist; soweit sind wir noch nicht", sagte der Minister am Dienstag dem Radiosender Europe 1. Der Täter habe eine "kleine Kamera" am Hals getragen, berichtete Guéant unter Berufung auf Augenzeugen. "Ich weiß nicht, was er filmte", sagte der Minister.

Staatsanwalt: Terroristische Tat

Die  Justiz wertet die blutigen Anschläge im Großraum Toulouse als terroristische Taten. Der zuständige leitende Staatsanwalt Francois Molins begründete das auf einer Pressekonferenz in Paris mit der rassistischen und auch antisemitischen Natur der Taten sowie der Entschlossenheit des Täters. Eine Wiederholungstat sei nicht auszuschließen, sagte er.

Der Todesschütze hatte zunächst innerhalb weniger Tage drei Soldaten erschossen und einen verletzt und am Montag dann vor einer jüdischen Schule einen Lehrer und drei Kinder getötet. Seitdem läuft die Fahndung auf Hochtouren.

Motorroller gesucht

Die französische Kriminalpolizei sucht in der Region um die Stadt Toulouse den Motorroller, mit dem der Täter entkam. In dem Aufruf wird nach einem dunkelgrauen T-Max 530 der Marke Yamaha mit schwarzem Kühler und schwarzen Felgen gefahndet, wie am Dienstag aus Ermittlerkreisen verlautete. Die Polizei warnt dabei vor einem "bewaffneten und gefährlichen" Mann, in dessen Besitz die gesuchte Maschine derzeit sei.

Der Unbekannte hatte den Motorroller mindestens zweimal als Fluchtfahrzeug genutzt. Am 11. März hatte der mutmaßliche Serienmörder in Toulouse einen Fallschirmjäger erschossen und war dann davongefahren. Am vergangenen Donnerstag tötete der Mann zwei weitere Fallschirmjäger im 50 Kilometer entfernten Montauban und entkam ebenfalls mit dem Roller.

Ob der Unbekannte nach den Todesschüssen in der jüdischen Schule am Montag ebenfalls mit derselben Maschine davonfuhr, ist noch unklar. Augenzeugen berichten, der Roller sei zwar vom selben Typ, aber weiß gewesen. Innenminister Der französische Innenminister Claude Gueant meinte, dass das Fahrzeug umgespritzt worden sein könnte.

Kein Phantombild

Bereits am Montagabend hatte Guéant im Fernsehen eingeräumt, dass es aufgrund der Erkenntnisse momentan noch nicht möglich sei, ein Phantombild des Todesschützen zu erstellen, der bei seinen Angriffen immer einen Motorradhelm trug. In allen drei Fällen wurde mit derselben Waffe geschossen und der Täter entkam auf einem Motorroller.

Laut Ermittlerkreisen könnte es sich um einen früheren Soldaten handeln, da der Mann im Umgang mit Waffen geübt ist. Auch ein rechtsextremer Hintergrund scheint möglich: Laut dem Magazin "Le Point" gab es im 17. Fallschirmjägerregiment, zu dem die ersten drei Todesopfer gehörten, Neonazis. Die Satire- und Enthüllungszeitung "Le Canard enchaine" veröffentlichte 2008 ein Foto von drei Soldaten, die vor einer Hakenkreuzfahne den Hitlergruß zeigten. Ein Soldat berichtete seinen Vorgesetzten davon und verließ dann das Regiment.

Beerdigung in Israel

Die vor der jüdischen Schule in Toulouse erschossenen Kinder und ihr Lehrer werden am Mittwoch in Jerusalem beerdigt. Das kündigte das israelische Außenministerium am Dienstag an. Eine Maschine der israelischen Fluggesellschaft El Al mit den Särgen an Bord werde um 04.20 Uhr MEZ in Tel Aviv erwartet. Vom Flughafen Ben Gurion würden die Särge nach Jerusalem gebracht, wo um 08.00 Uhr die Beisetzung vorgesehen sei. Nach israelischen Angaben handelt es sich bei den Opfern um Rabbi Jonathan Sandler und dessen Kinder Gabriel und Arieh sowie Miriam Monsonego. Nach Angaben des französischen Innenministeriums war der Lehrer, der die israelische und die französische Staatsbürgerschaft hatte, 30 Jahre alt. Zu den Kindern gibt es in Jerusalem und Paris unterschiedliche Altersangaben zwischen drei und sieben Jahren.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen

Die Stadt Toulouse, in der am Morgen ein Unbekannter drei Kinder und einen Lehrer erschossen hatte, beschloss die Wiederbewaffnung ihrer Ortspolizisten im Tagdienst. Dies geschehe im Zuge der verschärften Sicherheitsmaßnahmen, sagte der stellvertretende Bürgermeister Jean-Pierre Havrin AFP. Zuvor hatte Sarkozy die höchste Stufe des Anti-Terrorplans Vigipirate in Kraft gesetzt. Er erklärte, der Angriff auf die jüdische Schule habe eine "offensichtlich antisemitische Motivation". Der Angriff sorgte weltweit für Entsetzen.  

Reaktion in New York

Auch die Polizei von New York hat die Sicherheitsvorkehrungen an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen verstärkt. Hintergrund seien "Vorfälle im Ausland", darunter der Angriff auf die Schule in Toulouse, sagte ein Sprecher der Polizei am Montag. Auf die anderen Vorfälle ging er nicht näher ein.

Eine konkrete Bedrohung für Juden in New York sei nicht bekannt, fügte der Sprecher allerdings hinzu. Gesichert würden mehr als 40 Einrichtungen. In der Metropole leben mehr als 1,4 Millionen Juden. Die New Yorker Polizei verstärkt nach Anschlägen im Ausland häufig die Sicherheitsvorkehrungen an jüdischen Einrichtungen in der Stadt.

Trauer in Frankreich

Frankreich trauert unterdessen um die vier Opfer eines Anschlags auf eine jüdische Schule in Toulouse. Am Montagabend nahmen mehr als 1.000 Menschen an einer Feier in einer Pariser Synagoge teil. Unter den Teilnehmern waren Staatspräsident Nicolas Sarkozy, sein sozialistischer Herausforderer bei den Präsidentenwahlen Francois Hollande sowie mehrere Minister.

Tausende, die keinen Platz mehr in der Synagoge Nazareth gefunden hatten, verharrten vor dem Gotteshaus. Eine Demonstration von mehreren tausend Trauernden, die der Verband jüdischer Studenten organisiert hatte, führte von dem Platz der Republik zur Bastille. Viele der meist jungen Teilnehmer, schwenkten zum Zeichen der Einheit französischen Fahnen, berichteten Medien am späten Abend.

Trauermarsch für Sonntag angekündigt

Juden und Muslime in Frankreich wollen angesichts der Anschlagserie in und um Toulouse Geschlossenheit demonstrieren. Sie planen am Sonntag einen gemeinsamen Schweigemarsch in Paris. Der Vorsitzende des Verbands der Muslime Frankreichs, Mohammed Moussaoui, warnte im Anschluss an einen Empfang bei Präsident Nicolas Sarkozy für die Vorsitzenden der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften vor voreiligen Spekulationen. Sarkozy habe betont, im Kampf gegen den Hass müssten alle zusammenstehen, sagte Moussaoui dem TV-Sender BFM.

Wahlkampf unterbrochen

Wegen des Anschlags unterbrachen die Parteien vorübergehend den Präsidentschaftswahlkampf. Sarkozy sprach von einer nationalen Tragödie. Nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts im Élysée am Abend verhängte er die höchste Terror-Alarmstufe für die Region. Alle jüdischen und muslimischen Einrichtungen werden nun besonders gesichert. Nach Angaben von Sarkozy handelt es sich beim Täter um denselben, der in den Tagen zuvor zwei Anschläge auf Soldaten verübt hatte. Er vermutet einen antisemitischen Hintergrund für die Tat. Landesweit ist in allen Schulen der Opfer in Toulouse mit einer Schweigeminute gedacht worden. (APA, 20.3.2012)