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Mehr Schwung wünscht sich der Regierungsschef  - und legt alte Ideen auf den Tisch.

Foto: AP/Dunham

Nicht nur in klammen Ländern wie Griechenland, Spanien und Italien ist Privatisierung wieder einmal ein großes Thema. Der konservative britische Regierungschef David Cameron verkündete im vergangenen Jahr in einem White Paper, wie er den Staat durch Dezentralisierung und Offenheit verschlanken will. Nicht ohne seinen Bürgern den "schlanken Staat" auch schmackhaft zu machen. Die Privatisierung sei eine Revolution der "Volksmacht", statt der bürokratischen Kontrolle gebe es dann "mehr Freiheit, mehr Optionen und mehr lokale Kontrolle".

Seit der Amtszeit von Margaret Thatcher gilt Großbritannien als Musterland der Privatisierungen. Fast ein Vierteljahrhundert lang, wurde der Trend nicht hinterfragt, staatliches Eigentums an private Eigentümer zu verkaufen. Es galt als gegeben, dass Unternehmen unter Wettbewerbsbedingungen bessere Ergebnisse erzielen als der Staat.

Beseelt vom Erfolg

Als erstes staatliches Unternehmen privatisierte die Regierung 1984 British Telecom (BT). Weil der überschuldete Staat sich die Investitionen nicht leisten konnte, brachte er BT an die Börse. Die Folge für die Konsumenten sind auch hierzulande bekannt: Die Preise sanken und die Briten mussten nicht mehr monatelang auf einen Telefonanschluss warten. Beseelt vom Erfolg verkaufte die Regierung immer mehr Staatseigentum:  Energieunternehmen, Bausparkassen und die British Airways (BA). Auch die Labour-Partei war beeindruckt und strich 1995 den Passus aus ihrem Programm, Staatsfirmen müssten Staatseigentum bleiben.

Kein Vorzeigeprojekt sollte die folgende Eisenbahnprivatisierung werden. 1996 hatte der damalige Tory-Premier John Major die defizitäre Gesellschaft aufgespalten und privatisiert. Das Schienennetz ging an den Konzern Railtrack, die Zugverbindungen wurden einzeln ausgeschrieben und an Franchisenehmer verkauft. Auch hier sollte mehr Wettbewerb die Qualität erhöhen und die Preise senken. In diesem Fall trat allerdings das Gegenteil ein. Railtrack ging 2001 Pleite und musste wieder verstaatlicht werden. Die Einnahmen aus den Verträgen mit den Bahnfirmen sollten die jährlichen staatlichen Investitionen in das Schienennetz decken. Tatsächlich machte der Staat jedes Jahr rund fünf Milliarden Pfund Verlust - fast fünfmal mehr als vor der Privatisierung.

Als es in jüngster Vergangenheit galt, die größten Banken im Land mit staatlicher Unterstützung vor dem Untergang zu bewahren, hielt man sich in Sachen Privatisierung naturgemäß zurück. Die Privatisierung der britischen Post wurde auf Eis gelegt.

Auf der Suche nach Geld

Jetzt schwenkt das Pendel angesichts der leeren Staatskassen wieder um. Derzeit prüft Großbritannien die Privatisierung seiner Straßen, berichtet der Guardian. Laut dem Bericht wird Cameron in einer Rede von der Notwendigkeit sprechen, eine jahrzehntelange Erosion der britischen Infrastruktur zu verhindern. Die Regierung müsse demnach nach "innovativen" Wegen suchen, die Erhaltung der Infrastruktur zu finanzieren. Mehr Ambition dürfte sich der Regierungschef wohl nicht von ganz ungefähr wünschen.

Nach Moody's drohte vergangene Woche mit Fitch die zweite Ratingagentur dem hoch verschuldeten Land mit dem Entzug des Triple-A. Die größte Gefahr für die Kreditwürdigkeit stelle die Politik dar - die Regierungskoalition dürfe auf keinen Fall von den Einschnitten abweichen, warnte der Ratingriese.

In London kam die Botschaft vor allem bei Finanzminister George Osborne an: "Dies ist eine gute Erinnerungsstütze dafür, warum Großbritannien sich der enormen Schulden und Defizite annehmen muss, die wir geerbt haben", sagte Finanzstaatssekretär Danny Alexander. "Und es sollte für alle ein Warnschuss sein, die glauben, dass wir bei den Finanzen lockerlassen können."

Innenpolitischer Druck

Als die neue Regierungskoalition unter Führung der Konservativen vor zwei Jahren ihre Arbeit aufnahm, lag das Haushaltsdefizit bei elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) - fast vier mal so hoch wie die EU-Obergrenze von drei Prozent. Die Verschuldung wird nach offiziellen Prognosen bis 2014/15 bei 78 Prozent des BIP ihren Höhepunkt erreichen.

David Cameron hat einen rigiden Sparkurs eingeschlagen, doch die Erfolge stellen sich nur langsam ein. Deswegen steht er innenpolitisch unter Druck, die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Die Arbeitslosigkeit liegt auf dem höchsten Stand seit 16 Jahren. Wegen der lahmen Binnenkonjunktur und einer niedrigeren Nachfrage aus der Euro-Zone musste Cameron jüngst einräumen, das Erreichen der Haushaltsziele dauere zwei Jahre länger als zunächst geplant. (red, derStandard.at, 19.3.2012)