Wenn sich, wie Marcel Hirscher sagt, 1000 Räder im Kopf drehen, dann drängen sich auch Gedanken wie folgender auf: "Ich könnte mir die Frage stellen, ob ich es nicht bleiben lassen soll. Besser wird''s nicht mehr." Der 23-jährige Salzburger, der sich als bisher jüngster Österreicher den Gesamtweltcup nahm, den "depperten Glasbecher", wie er ihn etwas salopp bezeichnet hat, wird es natürlich nicht bleiben lassen. Dabei geht es ihm nicht um Rekorde, die er ganz nett, aber nicht besonders findet, sondern um den Skirennsport, um die Suche nach dem perfekten Schwung und also den Sieg.

Irgendwann hat Hirscher, Sohn eines Skischulbesitzers aus Annaberg-Lungötz und einer Niederländerin, mit den Buchstaben seines Vornamens gespielt. Er ließ das M und das L weg, vertauschte das R mit dem A und fand das Stichwort seines Lebens: Race.

Vater Ferdinand, selbst ein mäßig erfolgreicher Rennläufer, begleitet die Karriere seines Sohnes von kleinauf, kennt das Schwungverhalten seines Buben wie kein anderer, kümmert sich auch um die Entwicklung des Materials. Er hätte den Junior, betont der Senior, genauso unterstützt, wenn die Virtuosität auf der Geige das Stichwort seines Lebens gewesen wäre.

Hirscher hatte wegen seiner Doppelstaatsbürgerschaft die Option, für den niederländischen Skiverband zu starten. Doch er ging, der Konkurrenz und der Infrastruktur wegen, mit hohem Tempo den Weg durch die Instanzen des österreichischen Verbandes, der trotz Trainervaters friktionsfrei verlief. Bei der WM 2009 und bei Olympia 2010 verpasste der dreifache Juniorenweltmeister als Riesenslalom-Vierter Medaillen knapp. Nun hält Hirscher, der sommers das Tempo und den Schwung auf seiner Motocrossmaschine spürt, bei zwölf Weltcupsiegen (je sechs im Slalom und Riesenslalom). In Schladming raste er im Super-G als Dritter erstmals aufs Podest. Neben der großen Kugel gehört ihm heuer auch die kleine, die dem besten Riesentorläufer gebührt.

Die Zwangspause im Vorjahr nach einem Kahnbeinbruch erinnerte den Absolventen der Ski-Hotelfachschule in Bad Hofgastein daran, dass Sport nicht alles ist im Leben und dass es schnell vorbei sein kann mit dem Race. Jetzt ist einmal der Weltcupwinter vorbei. Und der coole Marcel Hirscher bläst aus: "Die Leute haben Wunderdinge erwartet und gedacht, der Wunderwuzzi wird's schon richten. Unvorstellbar, dass ich dem Druck standgehalten habe." (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 21.3. 2012)