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Die Kopten trauern um ihren Papst.

Foto: Reuters/Dalsh

Kairo/Wien - Der Tod von Papst Shenouda III., auch wenn er erwartet wurde, ist ein weiterer Faktor der Verunsicherung für die ägyptischen Kopten. Seit dem Sturz von Hosni Mubarak gibt es Tendenzen einer Neudefinition der nationalen Identität Ägyptens, die die Kopten als Christen immer mehr ausschließt. Und das, obwohl die konfessionelle Einigkeit als eine der Errungenschaften des Tahrir-Platzes gefeiert wurde.

Nicht dass unter Mubarak alles in Ordnung gewesen wäre: Konfessionelle Gewalt zwischen Christen und Muslimen wurde oft als vom Regime zum eigenen Nutzen - als Bollwerk gegen den Islamismus - orchestriert angesehen. Aber seit den ersten freien Parlamentswahlen ist die Islamisierung Ägyptens amtlich besiegelt: Wobei sich die Kopten nicht so sehr durch die 45 Prozent Muslimbrüder bedroht fühlen, sondern durch die 25 Prozent Salafisten.

In deren Vorstellung davon, wie der islamische Staat Ägypten aussehen sollte, sind Nichtmuslime keine vollwertigen Bürger. Kopten müssen heute sehr aufpassen: So handelte sich der Unternehmer Naguib Sawiris eine Anklage ein (die allerdings inzwischen zurückgelegt wurde), weil er Mickey und Minnie Maus in Salafisten kleidung per Twitter versandte.

Das Wort "Kopte" kommt etymologisch von "Ägypten" - die Zukunft in ihrer Heimat sehen jedoch viele infrage gestellt. Schon seit Jahrzehnten stellen Kopten etwa drei Viertel der Emigranten aus Ägypten, dieser Anteil ist seit der Revolution weiter gestiegen. Seit eine Koptendemon stration im Oktober 2011 in Maspero mit 29 Toten endete, haben die Kopten auch ihr Vertrauen in die jetzige Militärführung und teilweise die Medien - die nicht von der Gewalt der Armee gegen die Kopten, sondern nur von Gewalt der Kopten gegen die Armee berichteten - verloren.

Damals versagte in den Augen jüngerer und kritischer Kopten auch Papst Shenouda: Er blieb laute Kritik am Militärrat schuldig, so wie er auch nach dem Anschlag in der Silvesternacht 2010/2011 auf eine Kirche in Alexandria die Behörden nicht kritisierte. Shenouda hielt Mubarak die Treue, bis es gar nicht mehr anders ging. Das mag so gewesen sein, weil er wusste, dass sich die Situation der Christen mit einem Umsturz nicht verbessern würde. Aber zu Mubarak hatte er auch persönlich ein gutes Verhältnis. Er hatte Shenouda von seinem von Anwar al-Sadat 1981 auferlegten Hausarrest erlöst, wenngleich es bis 1985 dauerte, bis Shenouda all seine Amtsvollmachten zurückbekam. In dieser Zeit wurde die koptische Kirche von einem Bischofskollegium geführt.

Hatte Shenouda Sadat wegen seiner islamistenfreundlichen Politik zuungunsten der Kopten laut kritisiert, ging er danach mit Mubarak sehr sanft um - obwohl dieser bei einer Verfassungsänderung kurz nach seiner Amtsübernahme 1981 die Scharia als die "hauptsächliche Rechtsquelle" (vorher, von Sadat eingeführt: "eine Rechtsquelle") festschreiben ließ - der berühmte Artikel 2 der Verfassung, den Säkulare und Nichtmuslime gerne weghaben würden, was aber bei 70 Prozent Islamisten im Parlament eine Illusion ist.

Aber nicht nur aus politischen Gründen hatten sich manche Kopten von Shenouda entfremdet, er galt auch als erzkonservativ und reaktionär. Vor allem Shenoudas Haltung zu Scheidung und Wiederverheiratung - er selbst hatte nach seinem Amtsantritt das bereits liberalisierte Scheidungsrecht wieder verschärft - brachte viele gegen ihn auf. Shenouda ignorierte da auch Urteile des ägyptischen Verwaltungsgerichtshofes, der feststellte, dass Kopten ein Recht auf Scheidung und Wiederverheiratung hätten. Im vergangenen Herbst gab es deshalb eine Austrittswelle aus der koptischen Kirche. Und auch mit theologischen Dissidenten kannte Shenouda kein Erbarmen. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 19.3.2012)