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Niki Lauda (63) ist dreifacher Formel-1-Weltmeister und seit 1995 Experte beim TV-Sender RTL

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Grafik: DER STANDARD

Standard: Was erwarten Sie von der neuen Saison? Eine Fortsetzung der Fadesse?

Lauda: Nein. Red Bull und Vettel haben im letzten Jahr alles dominiert. Die einzige Frage war, wann sie auch rechnerisch Weltmeister sind. Heuer passiert das Gegenteil. Es gab kaum Regeländerungen. Folglich haben die anderen Teams die Chance, aufzuholen und ihre Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. Bis zu einem gewissen Grad wird die Überlegenheit von Red Bull noch bleiben, sie werden sich ja nicht verschlechtert haben. Aber nicht in diesem Ausmaß.

Standard: Was macht Red Bull besser als die Konkurrenz?

Lauda: Das ist relativ einfach. Sie haben mit Adrian Newey einen Designer, der immer seiner Zeit voraus ist. Er baut für die jeweiligen Bedingungen stets das schnellste Auto. Bleibt das Reglement relativ gleich, vom längeren Auspuff und der schiachen Nase abgesehen, sind sogar Newey Grenzen gesetzt. Er kann seine Genialität nicht voll ausleben.

Standard: Ist es die neue Politik der Formel 1, dem Besten zu schaden, um die Langeweile zu verhindern?

Lauda: Nein. Der Innovativste sollte immer der Beste sein. Newey bleibt der Chef in der Branche. Obwohl die neue Nase eine Katastrophe ist, ich habe noch nie so schiache Autos gesehen. Man sollte sich die Ästhetik vorher überlegen. Wobei auch die Schiachsten schön werden, sofern die Performance stimmt. Mir wäre aber ein schönes Auto mit einer Super-Performance lieber. Wobei sich der Mensch natürlich an alles gewöhnt. Auch ans Hässliche.

Standard: Lauda als Ästhet, eine neue Seite?

Lauda: Nein. Ich suche immer das perfekte Ideal. Warum muss man etwas Schiaches machen, wenn das Schöne die Alternative sein könnte? Jetzt sind wir mitten im Philosophischen.

Standard: Wohin steuert die Formel 1? Klassische Rennstrecken in Europa stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Bernie Ecclestone weicht dorthin aus, wo es angeblich oder tatsächlich noch Geld gibt. Ist das langfristig betrachtet nicht sehr riskant? Ein Baum mit kaputten Wurzeln stirbt irgendwann ab.

Lauda: Die Formel 1 gibt es praktisch seit ewig. Und sie wird es immer geben. Weil sie von der Attraktion her alle interessiert. Punkt. Die wirtschaftlichen Einflüsse treffen lokale Rennstrecken, die es nicht schaffen, genügend Geld aufzustellen, um die hohen Kosten zu decken. Es gibt aber immer Auswege. Verkauft Mercedes in Europa nicht mehr so toll, setzt man eben mehr Autos in China ab. Somit stimmt die Schlussbilanz wieder. In der Formel 1 ist das genau gleich. Es gibt noch genügend Gebiete auf der Welt, wo man die Menschen motivieren kann, sich das anzuschauen.

Standard: Das heißt: Bildet sich irgendein korrupter, größenwahnsinniger Diktator die Formel 1 ein, bekommt er von Ecclestone einen Grand Prix. Sofern die Marie stimmt. Wo bleibt da die Moral?

Lauda: Moral ist eine romantische Geschichte. Bahrain wurde im Vorjahr aufgrund der Unruhen nach langem Zögern abgesagt. Ich denke schon, dass es eine gewisse Grund-Ethik gibt. Aber wo die Grenzen beginnen und enden, darüber könnte man diskutieren.

Standard: Diskutiert Ecclestone darüber?

Lauda: Der Ecclestone muss ein perfektes Konzept haben, sonst wäre er nicht so erfolgreich. Er hat über die lange Zeit immer den richtigen Riecher gehabt. Darüber braucht man nicht zu diskutieren.

Standard: Sprechen wir über Sebastian Vettel. Er ist ein außergewöhnlicher Fahrer. Trotzdem hängt ihm das Image des Langweilers, des Retortenkindes von Red Bull, an. Was halten Sie von Vettel?

Lauda: Vettel ist ein Spitzensportler, der eine Leistung abruft, die andere Menschen nicht abrufen können. Das ist der Grund, warum er zweifacher Weltmeister ist. Und deshalb ist Schumacher siebenfacher Weltmeister. Ob einer noch zufällig freundlich oder unfreundlich, charismatisch oder farblos ist, ist in meinen Augen vollkommen sekundär. Man muss den Typen anerkennen, für das, was er tut. Ich persönlich finde Vettel sehr sympathisch. Weil er beide Füße auf dem Boden und keine Starallüren hat.

Standard: Haben es die Fahrer von heute schwerer, Charakter zu entwickeln, Helden zu werden? Bitte nicht falsch verstehen: Aber zu Ihren Zeiten verunglückten pro Saison ein bis zwei Piloten tödlich. Wahrscheinlich mussten die Leute damals anders ticken, oder?

Lauda: Man kann die Zeiten nicht vergleichen. Wir waren anders gefordert von der Risikobereitschaft her. Es ging darum, keine Todesangst zu haben. Gott sei Dank hat sich die Formel 1 weiterentwickelt, sie ist sicher geworden. Aber auch ein Vettel wird aufhören, wenn er genug hat. Und ein Schumacher hat wieder begonnen, weil er nicht genug hatte. Ich kenne das aus meiner Karriere.

Standard: Apropos Schumacher. Wird sein Comeback nicht schön langsam fad? Zwei Jahre lang ist relativ wenig passiert. Vielleicht lag es auch am nicht unbedingt konkurrenzfähigen Auto.

Lauda: Wir konnten bisher nicht beantworten, wie gut oder schlecht der Kerl ist. Heuer ist der Mercedes schnell. Mit zwei Jahren Verzögerung wird man sehen, wo sich Schumacher einreiht.

Standard: Er war aber langsamer als Teamkollege Nico Rosberg.

Lauda: Er war langsamer im Training, im Rennen war er gleichauf. Die Aggressivität und Brutalität beim Überholen hat er nicht verloren. Das ist wie in alten Zeiten.

Standard: Ein anderer Ex-Weltmeister, Kimi Räikkönen, kehrt heuer zurück. Hat die Formel 1 ein Suchtpotenzial?

Lauda: Mit Suchtpotenzial hat das nichts zu tun. Kimi wollte plötzlich Rallye fahren. Und jetzt ist er wieder zurück. Warum nicht? Es ist seine persönliche Entscheidung, ich finde sie gut. Im Feld sind jetzt sechs Weltmeister.

Standard: Sie haben Ihren Vertrag als RTL-Experte um weitere vier Jahre verlängert. Ist das nicht fad? Sie kennen ja schon alles.

Lauda: Die Formel 1 war mein halbes Leben und mein halber Tod. Es ist doch klar, dass mich das interessiert. Die Kombination, dort hinzufahren und Kommentare abzugeben, macht mir Spaß. Weil es ein guter Ausgleich zu meinem anderen Geschäftsleben ist. Außerdem verstehe ich was von der Materie. Und warum sollte man sein Wissen nicht weitergeben? (Christian Hackl, DER STANDARD, 17./18. März)