Wien - Die Industriellenvereinigung (IV) hat sich mit einem eigenen Konzept in die Debatte um die geplante Spitals- und Gesundheitsreform eingeschaltet. In dem von Experten der IV erarbeiteten Papier wird das von Gesundheitsminister Alois Stöger (S) geforderte bundeseinheitliche Spitalsgesetz ebenso befürwortet wie die angestrebte gemeinsame Steuerung und Finanzierung des Spitals- und des niedergelassenen Bereichs. Ebenso wie die Ärztekammer will auch die IV die Rolle des Hausarztes aufwerten, und für gesundheitsbewusstes Verhalten des Einzelnen soll es finanzielle Anreize geben.

"Ein bundesweit einheitliches Krankenanstaltengesetz soll die Rahmenbedingungen für eine effiziente und treffsichere Steuerung des Gesundheitssystems optimieren; d.h. Gesetzgebung auf Bundesebene, Vollziehung auf Landesebene", unterstützt die IV in ihrem am Mittwochabend vorgelegten Papier die Pläne Stögers. Die Planung soll bundeseinheitlich, länderübergreifend verbindlich und nach einem objektiv festgestellten Bedarf erfolgen.

Die Mittel für die Spitalsfinanzierung sollen nach den Vorstellungen der Industrie gebündelt und nach einheitlich festgelegten Kriterien ausgeschüttet und somit eine "Finanzierung aus einer Hand" realisiert werden. Eine klarere Trennung zwischen Finanzier und Betreiber von Spitälern wäre dabei eine wichtige Voraussetzung für positive finanzielle Wirkungen. Um die Kostensteigerungen im Spitalsbereich zu dämpfen, will die IV ebenso wie Stöger einen Kostendämpfungspfad implementieren, wobei finanzielle Mittel ebenso wie bei den Krankenkassen erst nach Erreichung von vereinbarten Finanzzielen ausgeschüttet werden sollen. Die IV verweist darauf, dass durch die gemeinsame Planung und Steuerung aufwendige Parallelstrukturen überwunden und die Gesundheitsleistungen jeweils auf der richtigen Versorgungsebene (Hausarzt, Facharzt, Ambulanz, Spital) erbracht werden könnten.

Rolle des Hausarztes stärken

Um das Ziel einer optimalen Steuerung zu erreichen, will die Industrie ähnlich wie die Ärztekammer die Rolle des Hausarztes als "Gate-Keeper" stärken. Überweisungen an Fachärzte, Ambulanzen oder Spitäler sollten demnach - mit sinnvollen Ausnahmen (z.B. Gynäkologie, Augenheilkunde) - grundsätzlich durch die Hausärztin, den Hausarzt erfolgen.

Gleichzeitig mit dem auch von der IV angestrebten Abbau von Aktubetten bzw. mit deren Umwandlung in Pflegebetten fordert die Industrie einen Ausbau des Versorgungsangebotes im niedergelassenen Bereich. So sollten etwa Tageskliniken und Ärztezentren forciert, die Mindestöffnungszeiten von Kassenärzten ausgeweitet werden, insbesondere an Tagesrandzeiten und am Wochenende.

Stärker nutzen will die Industrie E-Health, sie sieht darin ein Instrument zur Steigerung der Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen. "Es sollte vor allem der Elektronische Gesundheitsakt (ELGA) rasch und lückenlos eingeführt werden", stellt sich die IV in diesem Punkt gegen die Ärztekammer.

Einen stärkeren Fokus will die IV auf Prävention (z.B. bei Rauchen, Alkohol) legen. Begleitend zum allgemein präventiven Ansatz sollte ihrer Ansicht nach auch die Rolle der Einzelnen für ihre Gesundheit betont werden. "In diesem Zusammenhang sollten auch entsprechende finanzielle Anreize für das individuelle Gesundheitsverhalten, beispielsweise für die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen, geschaffen werden", heißt es in dem Papier der IV. Sie unterstützt in diesem Zusammenhang das Projekt der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), in dem der Selbstbehalt reduziert wird, wenn der Versicherte gesundheitliche Ziele, die mit dem Arzt bei einer Vorsorgeuntersuchung vereinbart wurden, erreicht.

Volkswirtschaftlicher Mehrwert

Die Industriellenvereinigung verweist in diesem Zusammenhang auf "einen signifikanten volkswirtschaftlichen Mehrwert", der durch weniger Krankenstände in Folge einer verstärkten Prävention erzielt werden könnte. Eine Reduktion der Krankenstände um zehn Prozent könnte demnach etwa zu einer Steigerung der Wertschöpfung um 480 Millionen Euro führen.

Insgesamt gebe es laut OECD im gesamten Gesundheitssystem ein Effizienzpotenzial von zwei Prozent des BIP. Für das Jahr 2011 würde dies laut IV Einsparungen von etwa sechs Milliarden Euro bedeuten. Allein im stationären Bereich ortet die IV unter Berufung auf IHS-Zahlen ein Effizienzpotenzial von 20 Prozent, was rund zwei Milliarden an Einsparungsmöglichkeiten bedeuten würde. (APA, 15.3.2012)