Was die Justizministerin vom Acta-Gesetzesentwurf halte, wollte das junge Publikum wissen. Er hätte "kaum Auswirkungen auf unser Rechtssystem", sagt Beatrix Karl.

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Graz - "Absolute Gerechtigkeit werden wir nie erreichen können", sagt Beatrix Karl. Auch nicht im besten aller Rechtssysteme. Dennoch müsse man danach streben, Gerechtigkeit so weit wie möglich sicherzustellen.

"Ist das Justizsystem gerecht?" war die zentrale Frage der ersten Grazer "Zukunft am Wort"-Diskussion. DER STANDARD und der ORF Steiermark luden vergangenen Mittwoch Politikwissenschafter Peter Filzmaier und Beatrix Karl zum Gespräch. Sie stellten sich den Fragen von Bettina Resch, Schülerin an der HLW Sozialmanagement, und Nikolaus Greimel, Schüler der Graz International Bilingual School. STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid moderierte.Gerechtigkeit für alle zu garantieren sei nicht zuletzt deshalb schwierig, weil sie von jedem unterschiedlich definiert werde.

"Nicht alles, was rechtlich richtig ist, wird vom Einzelnen als gerecht empfunden", sagt Karl. Das sei "eine ganz heikle Geschichte".Wie die Justiz generell kommuniziere, will Greimel wissen. Auch das sei eine schwierige Angelegenheit, gibt Karl zu, denn es gebe "Grenzen für die Kommunikation". Sie verweist auf Zeitungsartikel über Strafverfahren mit prominenter Beteiligung, die sich erst im Vorverfahren befinden. So spannend diese Fälle der Öffentlichkeit auch erscheinen würden, die Ermittlungen unterlägen zu diesem Zeitpunkt der Geheimhaltungspflicht. Das sei nötig, um die Opfer und Verfahrensbeteiligten zu schützen und die Ermittlungsschritte nicht zu gefährden. "Die Staatsanwaltschaft darf bestimmte Dinge nicht an die Öffentlichkeit bringen." Darüber hinaus bemühe man sich um Aufklärung der Öffentlichkeit.

Dass Kommunikation für die Justiz viel schwieriger ist als für andere Politikbereiche, gehöre anerkannt, stimmt Filzmaier zu. "Was sich die Justiz aber schon fragen muss, ist, ob sie nicht ein bisschen naiv ist und Entwicklungen in der Medienlandschaft verschlafen hat", spricht der Politologe Twitter und Facebook an. Die Justiz komme mit dem Grundsatz "Zu laufenden Verfahren sag ich nichts" einfach nicht mehr durch. Auch wenn hier eine ehrenwerte Idee dahinter sei.

Das zeigen auch Umfragen. Föderl-Schmid zitiert eine Erhebung der niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer von 2011, nach der jeder fünfte Österreicher meinte, dem österreichischen Rechtssystem könne man nicht vertrauen. Auch Filzmaier hat genaue Zahlen: Zwischen drei Viertel und vier Fünftel der Österreicher vertrauen grundsätzlich dem Justizsystem, ein Fünftel bis ein Viertel tun das nicht. In den 27 EU-Staaten misstrauten durchschnittlich 50 Prozent der Justiz. "Die Justiz reagiert zu wenig offensiv", gesteht Karl ein. Man sei auf die heute viel kritischere Berichterstattung nicht eingestellt. Das Bild der Justiz werde durch wenige, sehr öffentlichkeitswirksame Fälle geprägt. Es gehöre besser dargestellt, wie viel Arbeit täglich passiert, die funktioniert.

Österreich abgerutscht

Bettina Resch spricht den "Korruptionsindex" an, der die Wahrnehmung von korrupten Zuständen in einem Land erhebt. Österreich rutschte in den letzten Jahren auf Platz 16 ab. Das Bewusstsein, dass Korruption kein Kavaliersdelikt ist, sei in der Bevölkerung verankert , meint Karl. Doch das alleine reiche nicht. Das Korruptionsstrafrecht habe Lücken.

Etwa spiele Abgeordnetenbestechung eine große Rolle. Diese unterliege derzeit nicht voll dem Korruptionsgesetz. Das will Karl ändern. Auch das sogenannte "Anfüttern", wiederholtes Beschenken von Politikern, gehöre strenger geregelt. Das zähle bereits zum Vorfeld der Korruption und sollte strafbar sein.

Mit dem Acta-Abkommen bringt Resch ein großes und emotional aufgeladenes Thema aufs Tapet. Sie will die Meinung der Ministerin zu dem umstrittenen Gesetzesentwurf wissen. "Bei Acta geht es um eine Ausdehnung des Urheberrechtsschutzes. Es bedeutet nicht dessen Verschärfung", meint Karl. Das Urheberrecht in Österreich entspreche derzeit weitgehend dem, was in Acta vorgegeben wird. "Wir hätten kaum Regelungsbedarf." Acta hätte daher kaum Auswirkungen auf unser Rechtssystem.

Abschließend erzählt Karl von ihrem Berufsalltag und dem plötzlichen Wechsel vom Wissenschafts- zum Justizministerium. In dem völlig neuen Bereich Fuß zu fassen sei aufwändig gewesen. Nun gefalle es ihr aber, und sie stelle sich auf eine längere Zeit als Justizministerin ein. (Barbara Schechtner, DER STANDARD, 14.3.2012)